====== Amtliche Werke (§ 5 UrhG) ====== § 5 UrhG geht auf §§ 16, 26 LUG zurück und sollte diese Regelung mit einigen Änderungen übernehmen (Begr. des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 39). In § 5 Abs. 1 UrhG wurden als amtliche Werke aus § 16 LUG die Gesetze, Verordnungen, amtlichen Erlasse und Entscheidungen übernommen, also Werke mit regelndem Inhalt.((vgl. BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 – I ZR 185/03 - Bodenrichtwertsammlung)) **§ 5 (1) UrhG** [[Grundrecht:Gesetze]], [[Grundrecht:Verordnung|Verordnungen]], [[amtliche Erlasse]] und [[Amtliche Bekanntmachungen|Bekanntmachungen]] sowie [[Grundrecht:Gerichtsentscheidung|Entscheidungen]] und amtlich verfaßte [[Grundrecht:Leitsätze]] zu Entscheidungen genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Nur bei rechtlichen Regelungen liegt ein derart erhebliches öffentliches Interesse an der Verbreitung vor, dass die Ausnahme vom Urheberrechtsschutz ohne weitere Voraussetzungen gerechtfertigt ist.((BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 – I ZR 185/03 - Bodenrichtwertsammlung)) § 5 Abs. 1 UrhG soll nicht nur der Publizität von Gesetzen und Verordnungen dienen, sondern auch der Publizität ihrer Auslegung und Anwendung durch Verwaltungsbehörden und Gerichte.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BVerfG GRUR 1999, 226, 229 f.)) Die Öffentlichkeit soll Äußerungen von Hoheitsträgern, die für die gegenwärtige oder zukünftige Amtsausübung bedeutsam sind, zur Kenntnis nehmen können, ohne daran durch urheberrechtliche Befugnisse an Werken, die zu ihrer Abfassung benutzt worden sind, gehindert zu sein.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. Schricker/Katzenberger aaO § 5 UrhG Rdn. 27; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, § 5 Rdn. 3)) Das Allgemeininteresse an der Publizität amtlicher Äußerungen bezieht sich auch auf allgemeine Regelungen, die zwar formal nur an andere Behörden gerichtet sind, denen aber zumindest eine gewisse Außenwirkung zukommt.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BGH, Urt. v. 26.4.1990 - I ZR 79/88, GRUR 1990, 1003, 1004 - DIN-Normen; Schricker/Katzenberger aaO § 5 UrhG Rdn. 30; Möh-ring/Nicolini/Ahlberg, UrhG, 2. Aufl., § 5 Rdn. 13)) Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 UrhG bestimmt damit im Allgemeininteresse Inhalt und Schranken des Urheberrechts als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BVerfG GRUR 1999, 226, 228)) Wegen des Publizitätsinteresses der Allgemeinheit kann § 5 Abs. 1 UrhG auch eingreifen, wenn das Werk im urheberrechtlichen Sinn (§ 2 Abs. 2 UrhG), das der Hoheitsträger zum Inhalt seiner - vom Gesetz als "amtliches Werk" bezeichneten - Willensäußerung gemacht hat, nicht aus dem Amt selbst herrührt und von dessen Mitarbeitern im dienstlichen Auftrag geschaffen worden ist, sondern von Mitarbeitern eines anderen Amtes oder privaten Urhebern.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BGH, Urt. v. 12.6.1981 - I ZR 95/79, GRUR 1982, 37, 40 - WK-Dokumentation; Urt. v. 9.10.1986 - I ZR 145/84, GRUR 1987, 166, 167 - AOK-Merkblatt)). Entscheidend ist, ob und inwieweit die Verlautbarung dem Hoheitsträger als eigenverantwortliche Willensäußerung zuzurechnen ist.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BGHZ 116, 136, 145 f. - Leitsätze; BGH GRUR 1990, 1003, 1005 - DIN-Normen)) Nach dem Regelungszweck der Vorschrift kommt es auch nicht darauf an, ob die von dem Hoheitsträger als amtlicher Erlass getroffene Regelung rechtlich zulässig und wirksam ist, sofern sie nur nach seinem Willen die Verwaltungspraxis bestimmen soll.((BGH, Urt. v. 6. Juli 2006 - I ZR 175/03 - Vergabereichtlinien; m.V.a. BGH GRUR 1990, 1003, 1005 - DIN-Normen; Schricker/Katzenberger aaO § 5 UrhG Rdn. 30)) ==== Andere Amtliche Werke ==== ** § 5 (2) UrhG** Das gleiche gilt für andere amtliche Werke, die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind, mit der Einschränkung, daß die Bestimmungen über Änderungsverbot und Quellenangabe in § 62 Abs. 1 bis 3 und § 63 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden sind. Die Veröffentlichung im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme setzt ein spezifisches Verbreitungsinteresse der Behörde voraus. Das öffentliche Interesse muss gegenüber dem Verwertungsinteresse des Verfassers des Werkes überwiegen und die möglichst weite und von Urheberrechten freie Verbreitung erfordern. Diese Voraussetzung ist bei amtlichen Werken ohne regelnden Inhalt nicht ohne weiteres gegeben. Nicht ausreichend ist das allgemeine Interesse, das die Allgemeinheit an jeder Veröffentlichung einer Behörde hat. Vielmehr muss ein besonderes Interesse vorliegen, das nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet ist, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Information vermittelnden Werks für jedermann freigegeben wird.((BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 – I ZR 185/03 - Bodenrichtwertsammlung; m.V.a. BGH, Urt. v. 30.6.1983 – I ZR 129/81, GRUR 1984, 117, 119 – VOB/C; Urt. v. 2.7.1987 – I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 = WRP 1988, 233 – Topographische Landeskarten)) Ein solches Interesse liegt insbesondere vor, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht. In derartigen Fällen ist die rasche und umfassende Information der Allgemeinheit erforderlich((Schricker/Katzenberger aaO § 5 UrhG Rdn. 42)). Auf der anderen Seite fehlt das besondere Interesse in der Regel, wenn das Werk nur allgemeine Informationen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge vermittelt. Beispiele sind amtliche Statistiken, Kartenwerke oder allgemeine Merkblätter. In die-sen Fällen erfordert das allgemeine Informationsinteresse nicht die Rechtsfolge des § 5 Abs. 2 UrhG ((vgl. ausdrücklich zu amtlichen Kartenwerken die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. IV/270, S. 39; vgl. BGH GRUR 1988, 33, 35 – Topographische Landeskarten)). Im Zweifel sind alle Umstände des Einzelfalls abzuwägen. Je bedeutsamer die Information ist, desto eher liegt ein spezifisches Verbreitungsinteresse vor. Ist die Information weniger bedeutsam, wird die Abwägung in der Regel ergeben, dass die allgemeine Kenntnisnahme bereits durch eine erfolgte Veröffentlichung sichergestellt ist, ohne dass zusätzlich eine urheberrechtsfreie Verbreitung erforderlich wäre((vgl. BGH GRUR 1984, 117, 119 – VOB/C; v. Albrecht, Amtliche Werke und Schranken des Urheberrechts zu amtlichen Zwecken, S. 88; Schricker/Katzenberger aaO § 5 UrhG Rdn. 43)).((BGH, Urt. v. 20. Juli 2006 – I ZR 185/03 - Bodenrichtwertsammlung)) Nach der Gesetzesbegründung beruht die Gemeinfreiheit amtlicher Werke schon nach älteren Recht (§§ 16, 26 LUG) darauf, dass das öffentliche Interesse die möglichst weite und ungehinderte Verbreitung solcher Werke erfordert und die kraft Amtes zu ihrer Schaffung berufenen Verfasser entweder überhaupt kein Interesse an der Verwertung ihrer Leistungen haben oder ihre Interessen hinter denen der Allgemeinheit zurücktreten müssen.((OLG Köln, Urt. v. 15.12.2006 - 6 U 229/05)) Der Gesetzgeber wollte gerade auch Werken für den (inner-) amtlichen Gebrauch vollen Rechtsschutz gewähren und etwa bei Kartenwerken nur Ausnahmefälle der Art zulassen, dass eine Behörde Karten von einer Meeresküste veröffentlicht, um Badende vor gefährlichen Stellen zu warnen.((OLG Köln, Urt. v. 15.12.2006 - 6 U 229/05; m.V.a Bundestags-Drucksache IV/270 S. 39)) Die Rechtsprechung hat daraus den Schluss gezogen, dass das amtliche Interesse an der freien Veröffentlichung nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf gerichtet sein muss, die Verwertung der die Information vermittelnden Leistung jedermann freizugeben, während amtliche Statistiken und Informationsschriften ohne rechtserheblichen Inhalt grundsätzlich den Schutz des Urheberrechtsgesetzes genießen, soweit nicht besondere akute Gefahrenlagen ein öffentliches Interesse an ihrer möglichst raschen und umfassenden Verbreitung begründen.((OLG Köln, Urt. v. 15.12.2006 - 6 U 229/05; m.w.N.)) ==== Amtlichen Zwecken dienende Dokumente ==== Der Umstand, dass es sich bei den UdP um amtlichen Zwecken dienende Berichte handelt, die von Staatsbediensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten geschaffen wurden, berührt weder die Urheberrechtsfähigkeit der Berichte noch das Bestehen von Verwertungsrechten auf Seiten der Verfasser oder des Dienstherrn.((BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 139/15 - Afghanistan Papiere; m.V.a. Ramsauer, AnwBl 2013, 410, 413)) Bei amtlichen Werken ist die Kollisionslage mit der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit allerdings nicht dadurch geprägt, dass das Interesse der staatlichen Stellen darauf gerichtet ist, dem Urheber einen gerechten Lohn für seine Schöpfung zu sichern. Die UdP werden von Staatsbediensteten in Erfüllung ihrer Dienstpflichten erstellt. Die Verfasser der Berichte werden nicht über eine wirtschaftliche Verwertung der Berichte, sondern über ihre Dienstbezüge entlohnt. Auch im Streitfall dient die Geltendmachung der Urheberrechte durch die Klägerin nicht der Wahrung wirtschaftlicher Interessen, sondern der Geheimhaltung bestimmter Berichtsinhalte. Das steht jedoch der Gewährung von Urheberrechtsschutz nicht entgegen.((BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 139/15 - Afghanistan Papiere; m.V.a. aA Hoeren/Herring, MMR 2011, 500, 503; Nieland, K&R 2013, 285, 288)) Das Urheberrechtsgesetz schützt mit dem Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) auch das Interesse des Urhebers an einer Geheimhaltung des Inhalts seines Werkes.((BGH, Beschluss vom 1. Juni 2017 - I ZR 139/15 - Afghanistan Papiere; m.V.a. KG Berlin, GRUR-RR 2008, 188, 190; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 7. Aufl., Rn. 364; aA Nieland, K&R 2013, 285, 288)) ==== Amtliche Datenbanken ==== Ob § 5 Abs. 2 UrhG bei richtlinienkonformer Auslegung auch auf [[amtliche Datenbanken]] anwendbar ist, ist umstritten. ==== Regelungen in anderen Mitgliedstaaten ==== Den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist es nicht fremd, dass amtliche Werke vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind. Die Revidierte Berner Übereinkunft enthält in Art. 2 Abs. 4 einen entsprechenden Vorbehalt. Soweit ersichtlich, werden amtliche Werke daher auch nach dem Urheberrecht vieler Mitgliedstaaten als gemeinfrei angesehen.((BGH, Beschl. v. 28. September 2006 – I ZR 261/03 - Sächsischer Ausschreibungsdienst; m.V.a. Gaster, CR 2002, 602; v. Albrecht, Amtliche Werke und Schranken des Urheberrechts zu amtlichen Zwecken in fünfzehn europäischen Ländern, 1992, S. 210 ff. mit Verweisen auf die einzelnen Länderberichte)) ==== Amtliche Leitsätze und Leitsätze Dritter ==== -> [[Leitsätze]] ===== siehe auch ===== * [[Ausnahmen vom Urheberschutz]] * [[Amtliche Datenbanken]]