====== Veröffentlichung und Zugangsanträge ====== Regel 262.1 EPGVO beschreibt die Veröffentlichungspflicht von Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts. Sie legt fest, dass Schriftsätze und Beweismittel, die beim Gericht eingereicht und von der Kanzlei aufgenommen worden sind, der Öffentlichkeit auf einen an die Kanzlei zu richtenden begründeten Antrag zugänglich gemacht werden können. Die Entscheidung über die Zugänglichkeit wird vom Berichterstatter nach Anhörung der Parteien getroffen. **Regel 262.1 EPGVO** Unbeschadet der Artikel 58 und 60 Absatz 1 des Übereinkommens und vorbehaltlich der Regeln 190.1, 194.5, 196.1, 197.4, 199.1, 207.7, 209.4, 315.2 und 365.2 und - soweit veranlasst - Schwärzung personenbezogener Daten im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 sowie vertraulicher Informationen nach Absatz 2 sind (a) Entscheidungen und Anordnungen des Gerichts zu veröffentlichen, (b) Schriftsätze und Beweismittel, die beim Gericht eingereicht und von der Kanzlei aufgenommen worden sind, der Öffentlichkeit auf einen an die Kanzlei zu richtenden begründeten Antrag zugänglich zu machen; die Entscheidung wird vom Berichterstatter nach Anhörung der Parteien getroffen. ==== Grundsatz des öffentlichen Zugangs zu den Verfahrensakten ==== Die beim [[Gericht]] geführten Verfahrensakten sind nach den Bestimmungen des EPGÜ grundsätzlich öffentlich zugänglich. Dies leitet sich sowohl aus Art. 10 Abs. 1 EPGÜ [-> [[Einrichtung der Kanzlei beim Berufungsgericht]]] als auch aus Art. 45 EPGÜ [-> [[Öffentlichkeit der Verhandlungen]]] ab. Ersterer bestimmt, dass das von der Kanzlei geführte Register öffentlich ist. Art. 45 EPGÜ zufolge sind Verhandlungen des Gerichts öffentlich, es sei denn, das Gericht beschließt, soweit erforderlich, sie im Interesse einer der Parteien oder sonstiger Betroffener oder im allgemeinen Interesse der Justiz oder der öffentlichen Ordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Der Zugang ist der Öffentlichkeit demzufolge nur dann verwehrt, wenn eine Interessensabwägung, welche die in Art. 45 EPGÜ genannten Belange beinhaltet, zu dem Ergebnis führt, dass im konkreten Fall eine Zugangsbeschränkung notwendig ist.((EPG, Lokalkammer München, Beschl. v. 20. Dezember 2024 – UPC_CFI_342/2024)) Stellt ein Mitglied der Öffentlichkeit gemäß Regel 262.1 (b) VerfO einen begründeten Antrag, ist deshalb grundsätzlich Zugang zu den Schriftsätzen und Beweismitteln des Verfahrens zu gewähren, unabhängig vom Stand oder von der Art des Verfahrens.((EPG, Lokalkammer München, Beschl. v. 20. Dezember 2024 – UPC_CFI_342/2024)) Das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an der Transparenz und Nachvollziehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen hat Vorrang, selbst wenn noch ein Berufungsverfahren anhängig ist. Der Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln fördert die Einsicht in die Entscheidungsfindung und stärkt das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Gericht.((EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 9. Januar 2025 – UPC_CoA_480/2024)) ==== Interessensabwägung und Vertraulichkeit ==== Bei einem Antrag auf Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln durch ein Mitglied der Öffentlichkeit sind die Interessen des Antragstellers mit denen des Schutzes vertraulicher Informationen, personenbezogener Daten und der Integrität des Verfahrens abzuwägen.((EPU, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 14. Oktober 2024 – UPC_CFI_255/2023)) Nach Abschluss des Verfahrens spielt der Schutz der Integrität des Verfahrens keine Rolle mehr. Angesichts des allgemeinen Prinzips, dass das Register und die Verfahren der Öffentlichkeit zugänglich sind, überwiegt in der Regel das Interesse an Transparenz, es sei denn, spezifische Vertraulichkeitsbedenken werden überzeugend vorgetragen.((EPU, Zentralkammer Paris, Beschl. v. 14. Oktober 2024 – UPC_CFI_255/2023)) Es gibt im Allgemeinen keinen Grund, die Integrität der Verfahren der ersten Instanz nach Abschluss zu schützen, unabhängig davon, ob die Entscheidung alle Argumente und Beweise im Fall behandelt.((EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 9. Januar 2025 – UPC_CoA_480/2024)) ==== Anforderungen an einen begründeten Antrag ==== Regel 262.1(b) EPGVO erfordert einen konkreten und überprüfbaren, legitimen Grund für die Zugänglichmachung schriftlicher Schriftsätze und Beweismittel auf Antrag eines Mitglieds der Öffentlichkeit. Der Wunsch einer natürlichen Person, sich in persönlichem und beruflichem Interesse eine Meinung über die Gültigkeit eines Patents zu bilden, ist kein legitimer Grund im Sinne von Regel 262.1(b) EPGVO.((EPG, Zentralkammer München, Beschl. v. 20. September 2023 – UPC_CFI_1/2023)) Ein "begründeter Antrag" im Sinne von Regel 262.1(b) der Verfahrensordnung (RoP) bedeutet einen Antrag, der angibt, welche schriftlichen Schriftsätze und Beweismittel der Antragsteller erhalten möchte, den Zweck des Antrags spezifiziert und erklärt, warum der Zugang zu den angegebenen Dokumenten für diesen Zweck notwendig ist.((EPG, Lokalkammer München, Beschl. v. 20. Dezember 2024 – UPC_CFI_342/2024)) Bei der Prüfung eines Antrags gemäß Regel 262.1(b) müssen die Gründe dargelegt werden, warum ein Interesse an den angeforderten Informationen besteht, und dass das allgemeine öffentliche Interesse regelmäßig nach Erlass einer Entscheidung entsteht.((EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 9. Januar 2025 – UPC_CoA_480/2024)) ==== Zugang nach Verfahrensabschluss ==== Sobald die Verfahren beendet sind, wird das Gleichgewicht der Interessen in der Regel zugunsten der Gewährung des Zugangs ausfallen, sofern keine Fakten oder Argumente vorgelegt werden, die das Gleichgewicht der Interessen zugunsten der Verweigerung des Zugangs verschieben würden.((EPG, Zentralkammer München, Beschl. v. 22. Oktober 2024 – UPC_CFI_14/2023)) Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens sollte der Zugang zu Schriftsätzen und Beweismitteln gewährt werden, da keine Beeinträchtigung der Verfahrensintegrität mehr vorliegt.((EPG, Berufungskammer, Beschl. v. 9. Januar 2025 – UPC_CoA_480/2024)) ==== Beschränkungen ==== Regel 262.1(b) EPGVO bietet keine rechtliche Grundlage für die Bereitstellung von Dokumenten, die keine schriftlichen Schriftsätze oder Beweismittel sind.((EPG, Zentralkammer München, Beschl. v. 22. Oktober 2024 – UPC_CFI_1/2023)) ==== siehe auch ==== Regel 262 -> [[Öffentlicher Zugang zum Register]] \\ Regelt den öffentlichen Zugang zu Entscheidungen, Anordnungen und Schriftsätzen im Register und beschreibt die Bedingungen für den Schutz vertraulicher Informationen.