====== Einstweilige Maßnahmen ====== Einstweilige Maßnahmen sind vorläufige gerichtliche Anordnungen, die getroffen werden, um einen bestimmten Zustand zu sichern oder einen drohenden Schaden abzuwenden, bevor ein endgültiges Urteil in der Hauptsache gefällt wird. Diese Maßnahmen können beispielsweise die Beschlagnahme von Vermögenswerten oder die Unterlassung bestimmter Handlungen umfassen. Artikel 62 EPGÜ [-> [[Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen]]] regelt die Befugnisse des Gerichts, einstweilige Maßnahmen zu erlassen, um drohende Verletzungen zu verhindern oder die Fortsetzung von Verletzungen zu untersagen. In der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts (EPGVO) sind einstweilige Maßnahmen in Teil 3 [-> [[Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts#TEIL 3 – EINSTWEILIGE MASSNAHMEN|Einstweilige Maßnahmen]]] geregelt. Die relevanten Regeln umfassen: Regel 205 EPGVO [-> [[Verfahrensabschnitte (summarisches Verfahren)]]] beschreibt das summarische Verfahren für einstweilige Maßnahmen, das sowohl ein schriftliches als auch ein mündliches Verfahren umfasst. Regel 206 EPGVO legt die Anforderungen an den [[Antrag auf einstweilige Maßnahmen]] fest. Regel 207 EPGVO erlaubt einer Person, die eine einstweilige Maßnahme gegen sich erwartet, eine [[Schutzschrift]] einzureichen. Regel 208 bis 213 EPGVO behandeln die Prüfung der Formerfordernisse, die Durchführung der mündlichen Verhandlung, die Anordnung von Maßnahmen und die Möglichkeit, einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung des Antragsgegners anzuordnen. Das Gericht kann gemäß Artikel 60.5 und Artikel 62.5 EPGÜ sowie den Regeln 212.1 und 197 EPGVO einstweilige Maßnahmen ohne Anhörung der Gegenpartei anordnen, insbesondere wenn jede Verzögerung dem Antragsteller irreparablen Schaden zufügen könnte.((EPG, Milano, Beschluss Nr. 59754/2024 vom 5. November 2024, CFI Nr. 649/2024)) Die allgemeinen kumulativen Prinzipien für die Gewährung vorläufiger Maßnahmen sind, dass der Antragsteller ausreichende Beweise bereitstellen muss, dass er berechtigt ist, ein Verfahren einzuleiten, dass das Patent gültig ist und seine Rechte verletzt oder direkt bedroht sind. Weiter muss der Antragsteller Dringlichkeit und Interessenabwägung darlegen (Regel 209.1 (b) -> [[Ermessensspielraum des Gerichts]], 211.2 und .3 [-> [[Beweislast des Antragstellers]], [[Abwägung der Interessen der Parteien]]] EPGVO).((EPG, Lokalkammer Mailand, Beschl. v. 5. November 2024 – UPC_CFI_643/2024)) [[Hilfsanträge]] zur Änderung des Patents nach Regel 30.2 EPGVO [-> [[Zulassung späterer Anträge]]] sind in Verfahren um einstweilige Maßnahmen unzulässig. Dies steht im Einklang mit der erforderlichen Schnelligkeit des Verfahrens, die sowohl die Dringlichkeit des Nachteils als auch die Notwendigkeit, den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens und das Recht auf Verteidigung aufrechtzuerhalten, verlangt.((Einheitspatentgericht (EPG), Mailänder Lokalkammer, UPC CFI NO. 400/2024, Entscheidung vom 22. November 2024.)) Einstweilige Verfügungsverfahren dienen der schnellen vorläufigen Rechtsdurchsetzung und dürfen nicht durch zusätzliche Verfahrenshandlungen wie Interventionen überlastet werden, sofern diese in einem Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden könnten.((EPG, Zentralkammer Mailand, Anordnung vom 1. Oktober 2024 – UPC_CFI_380/2024)) [[Intervention|Interventionen]] in einstweiligen Verfügungsverfahren sind nur in außergewöhnlichen Fällen zulässig, da diese den beschleunigten Charakter des Verfahrens beeinträchtigen können.((EPG, Zentralkammer Mailand, Anordnung vom 1. Oktober 2024 – UPC_CFI_380/2024)) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer einstweiligen Verfügung – Gültigkeit des Patents, tatsächliche oder drohende Verletzung, Dringlichkeit und Interessenabwägung – sind kumulativ. Das Gericht kann daher darauf verzichten, alle Voraussetzungen zu prüfen, wenn eine davon nicht erfüllt ist. Ist jedoch eine solche Prüfung nicht frühzeitig möglich, um die Parteien entsprechend anzuhören, kann das Gericht sein Ermessen bei der Beurteilung der von den Parteien vorgebrachten Anforderungen ausüben.((EPG, Lokalkammer Lissabon, Beschl. v. 15. Oktober 2024 – UPC_CFI_317/2024)) In einstweiligen Verfügungsverfahren ist eine Änderung des Patents oder ein Hilfsantrag zur Beschränkung der Ansprüche unzulässig, da dies dem vorläufigen Charakter der Maßnahmen widerspricht.((EPG, Lokalkammer Lissabon, Beschl. v. 15. Oktober 2024 – UPC_CFI_317/2024; m.V.a. UPC_CFI_317/2024, Lissabon)) Im innerstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Zentralabteilung und lokalen Abteilungen sind letztere im Allgemeinen für vorläufige Maßnahmen zuständig, basierend auf den kombinierten Bestimmungen der Art. 32 Abs. 1 Buchstabe c) [-> [[Ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts für Patentklagen]]] und 33 EPGÜ [-> [[Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz]]].((EPG, Lokalkammer Mailand, Beschl. v. 13. Juni 2023 – UPC_CFI_127/2023)) In einem Verfahren auf einstweilige Maßnahmen können der obsiegenden Antragsgegnerin auf Antrag endgültig Verfahrenskosten zugesprochen werden. Die Antragstellerin kann selbst bei Prozesserfolg im Verfahren in der Hauptsache die Kosten dieses Verfahrens als unterliegende Partei nicht erfolgreich geltend machen [Regel 211.1 d) EPGVO -> [[Arten einstweiliger Maßnahmen]]].((EPG, Lokalkammer Wien, Beschl. v. 13. September 2023 – UPC_CFI_182/2023)) ===== siehe auch ===== EPGVO, Teil 3 -> [[Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts#TEIL 3 – EINSTWEILIGE MASSNAHMEN|Einstweilige Maßnahmen]] \\ Beschreibt das summarische Verfahren für einstweilige Maßnahmen, einschließlich der Einreichung des Antrags, der Prüfung der Formerfordernisse, der Durchführung der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung über den Antrag.