====== Rechtsdienstleistung ====== **§ 2 (1) RDG** Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Eine Rechtsdienstleistung ist nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Abzustellen ist nicht auf die berufliche oder geschäftliche Gesamttätigkeit, sondern auf die im Rahmen der jeweiligen beruflichen oder geschäftlichen Tätigkeit erbrachte einzelne Dienstleistung.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. auf die Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 37; Deckenbrock/Henssler in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 2 Rn. 16; Krenzler/Krenzler, RDG, 2. Aufl., § 2 Rn. 12)) Die als Rechtsdienstleistung einzuordnende Tätigkeit muss auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet sein. Entscheidend ist, ob es sich um eine nicht fingierte, sondern wirkliche, sachverhaltsbezogene Rechtsfrage einer bestimmten ratsuchenden Person handelt.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. BT-Drucks. 16/3655, S. 48; zu Art. 1 § 1 RBerG BGH, Urteil vom 13. Dezember 1955 - I ZR 20/54, GRUR 1957, 425, 426 - Ratgeber)) Durch das Tatbestandsmerkmal der konkreten Angelegenheit sollen Konstellationen ausgeschieden werden, in denen nur ein fiktiver oder abstrakter Fall zu beurteilen ist.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 30 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker)) Der Gesetzgeber hat mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz das Ziel verfolgt, das Berufsrecht zu deregulieren und zu liberalisieren und das Rechtsdienstleistungsrecht für künftige Entwicklungen neuer Dienstleistungsberufe zu öffnen(vgl. BT-Drucks. 16/3655, S. 38 und 42)). Er wollte der systematischen Neuausrichtung des Rechtsdienstleistungsgesetzes allerdings nicht im Rahmen der Definition der Rechtsdienstleistung in § 2 Abs. 1 RDG, sondern im Rahmen des Erlaubnistatbestands des § 5 RDG Rechnung tragen.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. die BT-Drucks. 16/3655, S. 37)) Der durch den Begriff der Rechtsdienstleistung eröffnete Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes sollte deshalb weit gefasst und erst innerhalb des für zulässige Nebenleistungen geschaffenen Erlaubnistatbestands des § 5 Abs. 1 RDG unter Berücksichtigung der Schutzzwecke des Rechtsdienstleistungsgesetzes entschieden werden, ob eine Tätigkeit als Nebenleistung zulässig ist (BT-Drucks. 16/3655, S. 37 und 51 f.). Der danach mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz verfolgte Kontrollzweck gibt keinen Anlass zu einer restriktiven Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 47 f. - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler)) Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 RDG umfasst jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts unter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, die über eine bloß schematische Anwendung von Rechtsnormen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht. Ob es sich um eine einfache oder schwierige Rechtsfrage handelt, ist unerheblich. Dies ergibt sich aus Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte, Zweck und systematischer Einordnung des § 2 Abs. 1 RDG.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; m.V.a. BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 43 ff. - Schadensregulierung durch Versicherungsmakler)) Die Frage, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit betroffen ist, richtet sich danach, in wessen wirtschaftlichem Interesse die Besorgung der Angelegenheit liegt.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; vgl. zu Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 - I ZR 19/05, GRUR 2007, 958 Rn. 22 = WRP 2007, 1334 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer, mwN; Chemnitz/Johnigk, Rechtsberatungsgesetz, 11. Aufl., Art. 1 § 1 Rn. 77; zu § 2 RDG Unseld/Degen, Rechtsdienstleistungsgesetz, 2009, § 2 Rn. 3; Kleine-Cosack, Rechtsdienstleistungsgesetz, 3. Aufl., § 2 Rn. 10; Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl., § 2 RDG Rn. 22; Deckenbrock/Henssler, Rechtsdienstleistungsgesetz, 4. Aufl., § 2 Rn. 22)) Wird die Rechtsangelegenheit nicht nur im eigenen, sondern auch im fremden Interesse besorgt, führt dies nicht notwendig dazu, dass es sich um eine fremde Rechtsangelegenheit handelt. Ein lediglich mittelbares Eigeninteresse macht eine fremde Rechtsangelegenheit nicht zu einer eigenen.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; m.V.a. BGH, GRUR 2007, 978 Rn. 22 - Rechtsberatung durch Haftpflichtversicherer mwN; Weth in Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, 4. Aufl.§ 2 RDG Rn. 23)) Eine fremde Rechtsangelegenheit besorgt nicht, wer als gesetzlicher Vertreter für eine natürliche oder juristische Person handelt, wer als Organ oder als Angestellter eines Unternehmens für dieses tätig wird.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; m.V.a. die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drucks. 16/3655, S. 48)) In § 2 Abs. 3 Nr. 6 RDG ist klargestellt, dass die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen nicht als Tätigkeit in einer fremden Angelegenheit anzusehen ist. In allen anderen Fällen, in denen der Handelnde nicht primär im eigenen wirtschaftlichen Interesse tätig wird, ist von einer Fremdheit der Angelegenheit auszugehen.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur)) Wer in offener Stellvertretung für Dritte gewerbliche Schutzrechte bei dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Europäischen Patentamt anmeldet, wird im wirtschaftlichen Interesse der Anmelder und damit in konkreten fremden Angelegenheiten tätig, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG erfordern.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur)) Sind für die Haupttätigkeit eines Dienstleisters (hier: eines Entwicklungsingenieurs) Rechtskenntnisse kaum erforderlich, kann nicht angenommen werden, dass eine Rechtsdienstleistung, die erhebliche Anforderungen an die Rechtsberatung stellt (hier: Anmeldung gewerblicher Schutzrechte), als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Haupttätigkeit gehört und deshalb nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist. Macht der Dienstleister das Gegenteil geltend, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.((BGH, Urteil vom 31. März 2016 - I ZR 88/15 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur)) Das Angebot von standardisierten Rechtsdokumenten oder von fertigen Textbausteinen, etwa in einem Formularhandbuch, ist nicht auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 58; Wormit, InTeR 2021, 22, 25; Krenzler/Krenzler aaO § 2 Rn. 43)) Auch die Unterstützung beim Ausfüllen eines dem Kunden überlassenen, alle wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkte vorgebenden Formulars in Form der Abfrage und Einfügung von tatsächlichen Sachverhaltsangaben stellt keine Rechtsdienstleistung in einem konkreten Fall dar.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; zur rechtlichen Prüfung des Einzelfalls OLG Karlsruhe, WRP 2010, 1553, 1554 [juris Rn. 14])) Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, stellt keine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG dar.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator)) Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung der Legaldefinition der Rechtsdienstleistung zwar die Tätigkeit einer natürlichen oder juristischen Person vor Augen gehabt. Er hat es jedoch als unerheblich angesehen, mit welchen technischen Mitteln eine Rechtsdienstleistung erbracht wird.((BT-Drucks. 16/3655, S. 47 f.)). Auch für andere Fälle ist anerkannt, dass eine Person eine geschäftliche Handlung - etwa mithilfe eines von ihr entwickelten oder genutzten Computerprogramms - technisch gestützt oder automatisiert vornehmen kann.((BGH, Urteil vom 9. September 2021 - I ZR 113/20 - Vertragsdokumentengenerator; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Mai 2013 - VI ZR 269/12, BGHZ 197, 213 Rn. 17; Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 138/16, GRUR 2018, 924 Rn. 30 = WRP 2018, 1074 - ORTLIEB I; BeckOK.UWG/Alexander, 13. Edition [Stand 1. August 2021], § 2 Rn. 43 f.)) **§ 2 (2) RDG** Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd. **§ 2 (3) RDG** Rechtsdienstleistung ist nicht: 1. die Erstattung wissenschaftlicher Gutachten, 2. die Tätigkeit von Einigungs- und Schlichtungsstellen, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern, 3. die Erörterung der die Beschäftigten berührenden Rechtsfragen mit ihren gewählten Interessenvertretungen, soweit ein Zusammenhang zu den Aufgaben dieser Vertretungen besteht, 4. die Mediation und jede vergleichbare Form der alternativen Streitbeilegung, sofern die Tätigkeit nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreift, 5. die an die Allgemeinheit gerichtete Darstellung und Erörterung von Rechtsfragen und Rechtsfällen in den Medien, 6. die Erledigung von Rechtsangelegenheiten innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 des Aktiengesetzes). ===== siehe auch ===== RDG -> [[Rechtsdienstleistungsgesetz]] -> [[verfahrensrecht:Recht]]