====== Vereitelung einer Reise durch den Reiseveranstalter ====== § 651f Abs. 1 a.F. BGB -> [[Schadensersatz wegen Vereitelung einer gebuchten Reise]] Kann oder will der Reiseveranstalter den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, z.B. infolge einer Überbuchung, und führt dies dazu, dass der Kunde die Reise nicht antritt, so wird die Reise vereitelt.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17; m.V.a. BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 118/03, BGHZ 161, 389, 392 ["Malediven-Urteil"])) Der Vereitelung der Reise steht nicht entgegen, dass das dem Reisenden unter dem Gesichtspunkt notwendiger Aufwendungen zur Beseitigung eines Reisemangels eine Entschädigung zugesprochen wurde.((vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Würde der Reiseveranstalter dem Reisenden eine alternative Reise als Abhilfemaßnahme anbieten und würde der Reisende diese Form der Abhilfe akzeptieren, so kann von einer Vereitelung der Reise nicht mehr ausgegangen werden. Denn in diesem Fall wäre die vereinbarte Reise, wenn auch in (deutlich) veränderter und damit mangelhafter Weise durchgeführt worden. In diesem Fall käme keine Entschädigung der Reisenden wegen vereitelter, sondern wegen erheblich beeinträchtigter Reise in Betracht.((vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Das Gleiche könnte gelten, wenn der Reisende die Reise als eigene Abhilfemaßnahme buchen würde, nachdem der Reiseveranstalter nicht innerhalb einer von den Reisenden bestimmten Frist Abhilfe geleistet oder die Abhilfe verweigert hätte (§ 651c Abs. 3 BGB).((vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Die Bemessung der Entschädigung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Seine Würdigung kann vom Revisionsgericht nur in engen Grenzen nachgeprüft werden, insbesondere darauf, ob er die für die Bemessung maßgeblichen Kriterien nicht verkannt, alle maßgeblichen Umstände berücksichtigt und sich um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zum Umfang der Beeinträchtigung bemüht hat.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17; m.V.a. BGHZ 161, 389, 396)) Nicht anders als bei einer mangelhaften Erbringung der vereinbarten Reiseleistung, bei der für die Höhe der Entschädigung der Umfang der die erhebliche Beeinträchtigung begründenden Reisemängel, die zu einer nutzlosen Aufwendung der Urlaubszeit bei den Reisenden geführt haben, sowie der Reisepreis maßgeblich heranzuziehen sind ((BGH, Urteil vom 17. April 2012 - X ZR 76/11, NJW 2012, 2107 Rn. 32; Urteil vom 21. November 2017 - X ZR 111/16, NJW 2018, 789 = RRa 2018, 63 Rn. 22)), sind auch bei Vereitelung der Reise das Ausmaß der Beeinträchtigung und der Reisepreis für die Bemessung der Höhe der Entschädigung von maßgeblicher Bedeutung((BGHZ 161, 389, 398)).((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Der Fall der vollständigen Vereitelung einer Reise ist aber regelmäßig nicht einem Fall gleichzustellen, in dem die Reise wegen Mängeln der Leistung des Veranstalters so erheblich beeinträchtigt worden ist, dass der Erfolg der Reise (nahezu) vollständig verfehlt worden ist und deshalb eine Entschädigung in Höhe des vollen Reisepreises angemessen ist. Daher kann auch einer im Schrifttum verbreiteten Ansicht, nach der bei einem vollständig ausbleibenden Urlaub stets der volle Reisepreis als Entschädigung zuzuerkennen sein soll.((Führich, Reiserecht, 7. Aufl. 2015, § 11 Rn. 66; Staudinger/Staudinger, BGB, Neubearb. 2016, § 651f, Rn. 84; MünchKomm.BGB/Tonner, 7. Aufl. 2017, § 651f Rn. 62; vgl. aber auch Fischer, RRa 2005, 98, 103 f.)), nicht beigetreten werden.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Der Senat hat in seinem Urteil vom 11. Januar 2005 dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 651f Abs. 2 BGB die gesetzgeberische Wertung entnommen, dass auch bei Vereitelung der Reise von einer so schwerwiegenden Beeinträchtigung des vertraglich geschuldeten Leistungserfolges auszugehen ist, dass eine Entschädigung dafür geboten ist, dass der Kunde seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie vom Veranstalter geschuldet. Er hat damit beide Tatbestände aber nicht schlechthin gleichgesetzt, sondern hinzugefügt, dass über die Höhe der Entschädigung damit noch nichts gesagt sei. Insbesondere liege es im Ermessen des Tatrichters, in Bagatellfällen von der Zuerkennung einer Entschädigung abzusehen.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17; m.V.a. BGHZ 161, 389, 394 f.)) Er hat ferner den Vorschlag von Führich (Reiserecht, 4. Aufl. Rn. 352b) erörtert, für jeden gänzlich vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen. Dieser Vorschlag möge ein angemessenes Ergebnis erbringen, wenn die Reise durchgeführt wurde, aber so schwer beeinträchtigt war, dass, verglichen mit dem Ausbleiben der vertraglich geschuldeten Leistung, die mit der Beeinträchtigung verbundenen Belastungen des Reisenden einen zusätzlichen Ausgleich erforderten. Bei Vereitelung der Reise sei hingegen die tatrichterliche Bemessung der Entschädigung mit der Hälfte des Reisepreises revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17; m.V.a. BGHZ 161, 389, 392, 399)) Auf den ersten Blick mag zwar die vollständige Vereitelung der Reise als die am weitesten reichende Form der Beeinträchtigung des geschuldeten Reiseerfolgs erscheinen. Bei dieser Sichtweise bliebe jedoch außer Betracht, dass die angemessene Entschädigung - anders als die vollständige oder teilweise Rückzahlung des Reisepreises - gerade nicht dem Ausgleich im vertraglichen Synallagma dient, sondern den Reisenden dafür entschädigen soll, dass er seine Urlaubszeit nicht so verbringen konnte wie mit dem Veranstalter vereinbart((BGHZ 161, 389, 395)). Die sich daraus ergebende (immaterielle) Beeinträchtigung kann bei groben Mängeln der Reiseleistung, die sich typischerweise auch auf das physische und psychische Wohlbefinden des Reisenden auswirken, erheblich größer sein, als wenn die Reiseleistung überhaupt nicht erbracht wird. Die Berücksichtigung dieses Aspekts steht auch nicht in Widerspruch dazu, dass es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung unerheblich ist, wie der Reisende im Fall einer vereitelten Reise die vorgesehene Reisezeit verbracht hat. Vielmehr ist dies gerade die Konsequenz der Beschränkung der Betrachtung auf den dem Reisenden entgangenen konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit in Gestalt der vom Reiseveranstalter versprochenen, aber nicht oder mangelhaft erbrachten Reiseleistungen((BGHZ 161, 389, 395)). Sie lässt es als freie Entscheidung des Reisenden und damit als für die Entschädigung unerheblich erscheinen, wie er die für die Reise vorgesehene Zeit tatsächlich verbracht hat; entscheidend ist allein das Maß der Beeinträchtigung durch die nicht oder mangelhaft erbrachten Reiseleistungen.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) Dies schließt nicht aus, dass in Einzelfällen - bei erschwerend hinzutretenden Umständen, wie etwa einer vereinbarten einzigartigen und aus sachlichen oder persönlichen Gründen nicht nachholbaren Reiseleistung - das Maß der Beeinträchtigung durch eine Vereitelung der Reise dem Maß der Beeinträchtigung durch grob mangelhafte, den Erholungs-, Erlebnis- oder Bildungswert der Reise nahezu vollständig entwertende Mängel gleich- oder nahekommen kann.((BGH, Urteil vom 29. Mai 2018 - X ZR 94/17)) ===== siehe auch ===== -> [[Reiserecht]]