====== Treu und Glauben ====== **§ 242 BGB** Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. -> [[Verwirkung]] \\ -> [[Treu und Glauben]] (Verfahrensrecht) \\ -> [[Unselbständiger Auskunftsanspruch zur Vorbereitung und Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs]] \\ -> [[Verbot unzulässiger Rechtsausübung]] Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht über den Wortlaut der Norm (§ 242 BGB) hinaus das gesamte Rechtsleben((z.B. BGH, Urteil vom 23. September 1982 - VII ZR 183/08, BGHZ 85, 48)) und kann prinzipiell jedem Recht sozialethische Grenzen setzen.((BGH, Beschluss vom 24. Januar 2011 - X ZB 33/08 - Deformationsfelder; m.V.a. Palandt/Grüneberg, BGB, 69. Aufl., § 242 Rn. 2)) Ein [[Verfahrensrecht:prozessuales Verhalten]] kann - wie jedes andere Verhalten((dazu etwa BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 = NJW 2014, 2646 Rn. 40)) - auch dann gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen, wenn eine Partei durch ihr Verhalten für den anderen Teil einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.((BGH, Urteil vom 21. September 2021 - X ZR 33/20; m.V.a. BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - X ZR 73/95, NJW 1997, 3377, juris Rn. 24 ff. - Weichvorrichtung II)) ==== Verschweigen von Tatsachen bei Abschluss eines Vertrags ==== Das Verschweigen von Tatsachen bei Abschluss eines Vertrags begründet nur dann eine Haftung, wenn der andere Vertragspartner nach Treu und Glauben redlicherweise Aufklärung erwarten durfte. In Vertragsverhandlungen, in denen die Beteiligten entgegengesetzte Interessen verfolgen, muss nicht jeder Umstand, der für den anderen Teil nachteilig sein kann, offenbart werden.((BGH, Urt. v. 24. April 2007 - X ZR 64/04 - Polymer-Lithium-Batterien; m.V.a. BGH, Urt. v. 20.09.1996 - V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 145)) ==== dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est ==== Es ist ein allgemeiner in § 242 BGB wurzelnder Rechtsgrundsatz, dass niemand fordern darf, was er alsbald zurückgewähren müsste (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est).((OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.01.2008 - I-20 U 18/07)) -> [[dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est]] ==== Anwendung im Prozessrecht ==== Der das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch im Verfahrensrecht [-> [[Verfahrensrecht:Treu und Glauben]]].((st. Rspr.; BGH, Urteil vom 13. September 2018 - I ZR 26/17 - Prozessfinanzierer; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218 Rn. 12; Urteil vom 16. Juni 2011 - III ZR 342/09, BGHZ 190, 99 Rn. 15; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VI ZB 9/13, GRUR 2014, 709 Rn. 6; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., Einl. 56 mwN)) Die Anwendung von § 242 BGB ist im Prozessrecht grundsätzlich möglich, aber bei der Durchsetzung bzw. der Abwehr gesetzlicher Ansprüche weniger naheliegend als bei vertraglichen Ansprüchen.((BPatG, Urt. v. 19. Januar 2011 - 5 Ni 103/09 (EU) - Tintenpatrone)) ===== siehe auch ===== -> [[Vertragsauslegung]] \\ § 8 (4) UWG -> [[Wettbewerbsrecht:Rechtsmissbrauch]] \\