====== Rechtsmissbräuchliche Berufung auf ein Vertragsstrafeversprechen ====== -> [[Wettbewerbsrecht:Rechtsmissbräuchliche Abmahnung]] (Wettbewerbsrecht) \\ -> [[Markenrecht:Missbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung]] (Markenrecht) Die Frage, ob die Geltendmachung einer [[Vertragsstrafe]] aus einer [[Unterlassungserklärung]] rechtsmissbräuchlich ist, beurteilt sich gemäß § 242 BGB nach den allgemeinen Grundsätzen von [[Treu und Glauben]].((BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - I ZR 46/19 - Da Vinci; vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 21 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe)) Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob das Verhalten des Abmahnenden vor, bei und nach der Abmahnung den Schluss rechtfertigt, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafenansprüche gegen Treu und Glauben verstößt.((BGH, Urteil vom 23. Oktober 2019 - I ZR 46/19 - Da Vinci; m.V.a. BGH, Urteil vom 14. Februar 2019 - I ZR 6/17, GRUR 2019, 638 Rn. 36 = WRP 2019, 707 - Kündigung der Unterlassungsvereinbarung)) Ausnahmsweise stellt die Berufung auf eine vom Schuldner nicht rechtzeitig gekündigte Unterwerfungserklärung eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn dem Gläubiger der Unterlassungsanspruch eindeutig nicht mehr zusteht.((OLG Düsseldorf, 4a O 22/07 - Schutzgeländer-Zwinge; m.V.a. BGH GRUR 1997, 382 – Altunterwerfung I)) Schlägt der Abmahnende dem wegen eines Wettbewerbsverstoßes Abgemahnten in einer vorformulierten Unterlassungsverpflichtungserklärung für jeden Fall der Zuwiderhandlung das Versprechen einer Vertragsstrafe vor, die unabhängig von einem Verschulden verwirkt sein soll, kann dies ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die Geltendmachung des Unterlassungsa-spruchs missbräuchlich und nach § 8 Abs. 4 UWG unzulässig ist. Kann sich der Schuldner eines Unterwerfungsvertrages im allgemeinen nur durch fristlose Kündigung von der übernommenen vertraglichen Verpflichtung lösen, kann es doch im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein, wenn sich der Gläubiger auf ein nicht rechtzeitig gekündigtes Vertragsstrafeversprechen beruft. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der vertraglich gesicherte gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Gläubiger aufgrund der erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, d.h. ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht. Hierunter fallen zum einen die Fälle, in denen die vertragliche Verpflichtung allein der Sicherung eines vom Gesetzgeber aufgehobenen Verbots - etwa dem Verbot der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen oder der Eigenpreisgegenüberstellung (§§ 6 d, 6 e UWG a.F.) - dient; unter Umständen sind hierunter auch die Fälle einer beachtlichen Rechtsprechungsänderung zu zählen. Zum anderen ist einem Gläubiger die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn seine Sachbefugnis aufgrund der Änderung des § 13 Abs. 2 UWG eindeutig entfallen ist, weil er selbst (Nr. 1) oder seine Mitglieder (Nr. 2) auf dem einschlägigen Markt überhaupt nicht tätig sind oder weil er - als Verband - die im Gesetz angesprochenen gewerblichen Interessen tatsächlich nicht mehr verfolgt.((BGHZ 133, 316 sub II.4.a - Altunterwerfung I)) Die Berufung auf ein Vertragsstrafeversprechen ist trotz einer nicht rechtzeitig erfolgten Kündigung immer dann rechtsmissbräuchlich, wenn dem Gläubiger der mit dem Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsanspruch wegen einer mittlerweile eingetretenen Änderung eindeutig, d.h. ohne dass es weiterer Feststellungen oder einer Wertungsentscheidung bedürfte, nicht mehr zusteht.((OLG Karlsruhe Urteil vom 7.5.2012, 6 U 187/10; m.V.a. auch OLGR Jena 2007, 555)) Nicht ausreichend ist allerdings, wenn der Unterlassungsanspruch vom Gläubiger nur deshalb nicht geltend gemacht werden könnte, weil sich die Parteien auf dem vom Gläubiger bedienten regionalen Markt nicht begegnen.((OLG Karlsruhe Urteil vom 7.5.2012, 6 U 187/10; m.V.a. BGH GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV)) ===== siehe auch ===== -> [[Vertragsstrafe]]