====== Voraussetzungen des Vorbenutzungsrechts ====== § 12 (1) PatG -> [[Vorbenutzungsrecht]] ==== Erfindungsbesitz ===== -> [[Erfindungsbesitz]] Erfindungsbesitz liegt vor, wenn der Begünstigte bei Vornahme der Benutzungshandlung oder der Veranstaltung hierzu den Erfindungsgedanken der später zum Patent angemeldeten Erfindung erkannt hat. Dabei muss der Vorbenutzer den Erfindungsgedanken derart erkannt haben, dass ihm die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich gewesen ist. Der Vorbenutzer muss Ursache und Wirkung der technischen Mittel erkannt haben. Ein technisches Handeln, das über das Studium von Versuchen noch nicht hinausgegangen ist und noch nicht zu einer planmäßiges Handeln ermöglichenden Erkenntnis seiner Wirkung geführt hat, begründet keinen Erfindungsbesitz und kein Vorbenutzungsrecht. Der Erfindungsgedanke muss vielmehr subjektiv erkannt und die Erfindung objektiv fertig sein.((LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 4a O 208/07; m. w. N.)) Der Erfindungsbesitz muss nicht originär beim Vorbenutzer (Doppelerfindung) entstanden sein, sondern es genügt jede Art der Kenntniserlangung von einem Dritten, insbesondere auch vom Patentinhaber (arg. § 12 Abs. 1 S. 4 PatG). ==== Redlichkeit des Erfindungsbesitzes ==== Da die Regelung des § 12 PatG auf Billigkeitsgesichtspunkten (Besitzschutz) beruht, ist „Redlichkeit" ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal (teleologische Auslegung des § 12 PatG: Die Vorschrift dient dem Besitzstandsschutz und setzt - wie alle Tatbestände, die Besitzstand schützen sollen - Redlichkeit voraus.) Ist der Erfindungsbesitz vom Patentinhaber im Wege der widerrechtlichen Entnahme (vgl. § 8 PatG) erlangt, so liegt Unredlichkeit vor((BGH GRUR 1964, 491 - „Chloramphenicol"; BGH GRUR 1964, 673 - „Kasten für Fußabtrittsroste"; vgl. auch OLG Düsseldorf GRUR 1980, 170 - „Lax")). Unredlichkeit liegt auch vor, wenn der Vorbenutzer seinen Erfindungsbesitz von einem Dritten ableitet und Erkenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von der Unredlichkeit des Dritten hat((BGH GRUR 1964, 673 - „Kasten für Fußabtrittsroste")). Unredlichkeit liegt schließlich auch vor, wenn dem Vorbenutzer bekannt ist, dass ein ausländisches Schutzrecht/Schutzrechtsanmeldung existiert und Grund zu der Annahme besteht, dass auch im Inland unter Inanspruchnahme der ausländischen Priorität um ein Schutzrecht nachgesucht wird.((BGH GRUR 1964, 491 - „Chloramphenicol")) Die Beweislast für die Unredlichkeit des Erfindungsbesitzes liegt beim Patentinhaber.((OLG Düsseldorf Mitt. 1987, 239)) ==== Betätigung des Erfindungsbesitzes ==== Als Veranstaltungen zur Betätigung des Erfindungsbesitzes kommen neben technischen Maßnahmen, welche die Benutzung technisch vorbereiten und den Zweck haben, die Erfindung zur Ausführung zu bringen, auch Maßnahmen nicht technischer Art in Betracht. Es müssen jedoch zwei Voraussetzungen vorliegen, um das im Gesetz vorgeschriebene Erfordernis der zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen zu erfüllen. Zunächst müssen Veranstaltungen im Inland vorliegen, die bestimmt sind, die Erfindung im Wesentlichen auszuführen((BGHZ 39, 389, 398 – Taxilan; Benkard/Rogge, PatG, 10. Auflage, § 12 Rz. 13)). Darüber hinaus ist es erforderlich, dass diese Handlungen den ernstlichen Willen erkennen lassen, die Erfindung alsbald zu benutzen((BGH GRUR 60, 546, 549 – Bierhahn; Benkard/Rogge, PatG, 10. Auflage, § 12 Rz. 13)).((LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 4a O 208/07)) Nach der Rechtsprechung muss die Benutzungshandlung die Ernsthaftigkeit des gewerblichen Nutzungswillens umsetzen. Daran fehlt es regelmäßig bei der Herstellung eines noch zu testenden Prototypen.((LG Düsseldorf, Urteil vom 7. Oktober 2008, Az. 4a O 208/07; m.w.N.)) Benutzung im Sinne des § 12 PatG sind alle in § 9 PatG beschriebenen Handlungen; insbesondere genügt auch die mittelbare Benutzung § 10 PatG.((BGH GRUR 1964, 496 - „Formsand II")) Die Benutzungshandlungen sind untereinander gleichwertig; jede Benutzungshandlung begründet ein Vorbenutzungsrecht. Herstellung eines (verkaufsreifen) Prototyps Inverkehrbringen Eine Benutzung liegt auch vor beim Anbieten erst später zu importierender Gegen­stände im Inland oder auch im Falle eines erfolglosen mündlichen Einzelangebots.((BGH GRUR 1969, 35 - „Europareise")) Strittig ist, ob auch die einmalige Anfertigung eines nicht verkäuflichen Funktionsmodells für die Bejahung der Benutzungsveranstaltungen ausreicht.((siehe auch Schulte § 12 Rdnr 14; Busse § 12 Rdnr 27)) Veranstaltungen im Sinne des § 12 PatG sind alle Maßnahmen, die objektiv der bestimmungsgemäßen Ausführung dienen und subjektiv den Willen zur alsbaldigen Benutzungsaufnahme erkennen lassen.((BGH GRUR 1986, 803 - „Formstein")) Eine Veranstaltung liegt vor bei Herstellung von Werkstattzeichnungen.((RGZ 110, 218)) Eine Veranstaltung liegt auch vor bei der Anschaffung einer Gussform, d.h. der Herrichtung von Anlagen zur Durchführung des Verfahrens.((BGH GRUR 1964, 673 - „Kasten für Fußabtrittsroste")) Eine Veranstaltung liegt hingegen nicht vor bei Abschluss eines Lieferungsvertrages, wenn der Vorbenutzer zur alsbaldigen Herstellung und Lieferung der Ware nicht in der Lage ist.((RG GRUR 42, 144)) Keine Veranstaltung ist die Anmeldung eines Schutzrechts.((RGZ 123, 252)) Eine Veranstaltung liegt nicht vor bei Laborversuchen oder in sonstigen Versuchen, die erst Aufschluss über die Ausführbarkeit und technische Brauchbarkeit bringen sollen.((BGH GRUR 64, 20 - „Taxilan")) Allerdings stellen Versuche, die nach Erkennen der Erfindung eine bevorzugte Ausführungsform testen, Veranstaltungen dar.((BGH GRUR 1960, 546 - „Bierhahn")) ==== Benutzung im Eigeninteresse ==== Benutzung und Veranstaltungen müssen im Eigeninteresse erfolgen; d.h. die Ausübung darf nicht lediglich nur für einen Anderen - etwa im Wege einer Auftragsherstellung - erfolgen. Es genügt aber, wenn die Benutzungshandlung im Interesse eines Dritten und im eigenen Interesse erfolgt.((BGH GRUR 1993, 460 - „Wandabstreifer")) ==== Gewerbliche Nutzung ==== Strittig ist, ob der Erfindungsbesitz vom Vorbenutzer gewerblich betätigt werden muss. Bei Benutzung in der Literatur streitig: Gewerbsmäßigkeit erforderlich: Busse § 12 Rdnr 24, Schulte § 12 Rdnr 12 (= hM); Gewerbsmäßigkeit nicht erforderlich: Mes § 12 Rdnr 13. Nach der Rechtsprechung wird für Veranstaltungen eine gewerbliche Benutzung gefordert.((BGH GRUR 1964, 20 - „Taxilan")) Ob dies auch für eine Benutzung gilt, ist mangels Rechtsprechung offen. ==== Zeitpunkt ===== Der maßgebliche Zeitpunkt für die Betätigung des Erfindungsbesitzes muss vor dem Anmeldetag oder - wenn eine Priorität gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 in Anspruch genommen wird - vor dem Prioritätstag liegen (Tag ist kleinste Zeiteinheit). Die Benutzung muss bis zum Anmelde-/Prioritätstag nicht fortgesetzt werden. Ein Vorbenutzungsrecht erlischt allerdings, wenn die Handlungen vor dem Anmelde-/Prioritätstag aus freien Stücken endgültig oder für eine unbestimmte Zeit aufgegeben werden.((BGH GRUR 1969, 35 - „Europareise")) Unterbrechungen schaden allerdings nicht .((BGH GRUR 1964, 411 - „Lacktränkvorrichtung")) Veranstaltungen müssen bis zum Anmelde-/Prioritätstag fortdauern.((BGH GRUR 1969, 35 - „Europareise")) ==== Territoriale Beschränkung ==== Die Benutzung oder die Veranstaltungen müssen __im Inland__ ausgeübt worden sein. Die Wirkungen beschränken sich daher auch auf das Inland. ==== Erlöschen des Vorbenutzungsrechts nach Anmeldetag ==== === Endgültige Aufgabe === Nichtausübung des Vorbenutzungsrechts führt nicht ohne weiteres zu dessen Erlöschen, es erlischt nur durch endgültige Aufgabe der Benutzung oder Einstellung der Veranstaltungen. Ein Erlöschen liegt daher bei Betriebsaufgabe oder Verzicht auf das Vorbenutzungsrecht vor.((BGH GRUR 1964, 411 - „Lacktränkvorrichtung")) === Verwirkung === Unbillige Ergebnisse werden über Verwirkung vermieden.((BGH GRUR 1964, 411 - „Lacktränkvorrichtung")) ===== siehe auch ===== § 12 (1) PatG -> [[Vorbenutzungsrecht]]