====== Unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs ====== **§ 22 (1) 2. Alt. PatG** Das Patent wird auf [[Nichtigkeitsklage|Antrag]] (§ 81) für [[Nichtigkeit|nichtig]] erklärt, wenn sich ergibt, daß einer der in § 21 Abs. 1 aufgezählten Gründe [-> [[Widerrufsgründe]]] vorliegt oder der __Schutzbereich des Patents erweitert__ worden ist. § 22 (1) PatG -> [[Nichtigkeitsgründe]] \\ § 21 Abs. 1 PatG -> [[Widerrufsgründe]] \\ § 38 Satz 2 PatG -> [[Unzulässige Änderung des Gegenstands der Anmeldung]] \\ § 14 PatG -> [[Schutzbereich]] \\ Nach § 22 PatG darf der Schutzbereich eines Patents nicht erweitert werden. Die unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs stellt einen [[Nichtigkeitsgründe|Nichtigkeitsgrund]] dar und ist im Einspruchsverfahren bzw. Einspruchsbeschwerdeverfahren bei Änderung der Ansprüche durch den Patentinhaber von Amts wegen zu berücksichtigen. ==== Grundsatz des Vertrauensschutzes ==== Der in seiner heutigen Fassung durch das Gesetz über das Gemeinschaftspatent und zur Änderung patentrechtlicher Vorschriften (Gemeinschaftspatentgesetz, GPatG) vom 26. Juli 1979 (BGBl. I S. 1269) eingeführte [[Nichtigkeitsgründe|Nichtigkeitsgrund]] der Erweiterung des Schutzbereichs beruht auf dem im deutschen Recht schon zuvor anerkannten und auch dem europäischen Patentrecht((Art. 123 Abs. 3 EPÜ, dazu EPA, Beschluss vom 7. Mai 1999 - T 1149/97 - 3.4.2, ABl. EPA 2000, 659 Abs. 6.1.10 - Fluidwandler; Schulte, GRUR Int. 1989, 460)) zu Grunde liegenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die Allgemeinheit muss sich darauf verlassen können, dass ein erteiltes Patent nicht nachträglich einen erweiterten Schutzbereich erhält.((BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter; m.V.a. BT-Drucks. 8/2087, S. 27 zu Nr. 12; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22 Rn. 18; Busse/Schwendy, aaO, § 22 Rn. 25; Kraßer, Patentrecht, 6. Aufl., § 26 B III 1 S. 610)) ==== Disclaimer-Lösung ==== Wurde im Anmeldeverfahren oder Einspruchsverfahren eine unzulässige Erweiterung eingeführt, so kann das Patent möglicherweise durch die sogenannte [[Disclaimer-Lösung]] aufrecht erhalten werden. ==== Äquivalente ==== Wird ein Patentanspruch durch den – in der Patentschrift offenbarten – Zusatz „o. dgl.“ dahingehend geändert, dass nunmehr auch gleichwirkende Austauschmittel (Äquivalente) beansprucht werden, die vom Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 nicht umfasst werden, so stellt diese Änderung keine Beschränkung, sondern eine Verallgemeinerung dar, die zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs des Patents führt.((BPatG, Beschl. v. 11.08.2005 – 34 W (pat) 382/03)) ==== Nicht offenbarte Begriffe in den Patentansprüchen ==== Wird in einem Patentanspruch ein Begriff verwendet, der an keiner Stelle der ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart ist, führt dies dann nicht zu einer unzulässigen Änderung, wenn sich dieser Begriff dem Fachmann ohne weiteres Nachdenken bei einem Blick auf die Figuren der ursprünglichen Unterlagen erschließt.((BPatG Urt. v. 02.03.2004 – 1 Ni 22/02.)) ==== Unzulässige Erweiterung bei Teilanmeldungen ==== Bei einer Teilanmeldung führt das Weglassen eines Merkmals oder dessen nachträgliche Kennzeichnung als fakultatives Merkmal dann nicht zu einer unzulässigen Erweiterung, wenn in der ursprünglichen (Stamm-)Anmeldung für den Fachmann offensichtlich erkennbar zwei verschiedene Gegenstände offenbart sind, von denen der erste im Stammpatent patentiert ist und beim zweiten, der durch die Teilanmeldung geschützt werden soll, das fragliche Merkmal offensichtlich ohne Bedeutung ist.((BPatG Urt. v. 21.07.2004 – 4 Ni 17/03)) ==== Prüfungsverfahren nach § 12 ErstrG ==== Der Schutzbereich eines Patents darf im Rahmen des in § 12 ErstrG vorgesehenen Prüfungsverfahrens nicht erweitert werden.((BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter)) ==== Keine Verschiebung der Priorität ==== Die nach früherem Recht gegebene Möglichkeit, die Folgen einer unzulässigen Erweiterung dadurch zu vermeiden, dass als Tag der Einreichung derjenige Tag behandelt wird, an dem die geänderten Unterlagen eingereicht worden sind, besteht nach der seit dem 1. Januar 1968 geltenden Rechtslage((§ 26 Abs. 5 Satz 2 PatG aF, nunmehr § 38 Satz 2 PatG)) nicht mehr.((BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter; m.V.a. BGH, Beschluss vom 12. Juli 1979 - X ZB 14/78, BGHZ 75, 143, 145 f. = GRUR 1979, 847 - Leitkörper)) Gemäß § 38 Satz 2 PatG ist es generell ausgeschlossen, aus Änderungen, die den Gegenstand der Anmeldung erweitern, Rechte herzuleiten.((BGH, Urteil vom 9. September 2010 - Xa ZR 14/10 - Windenergiekonverter)) [-> [[Unzulässige Änderung der Anmeldung]]]