====== Technizität einer computerimplementierten Erfindung ====== § 1 (1) PatG -> [[Technizität]] \\ § 1 (3) Nr. 3 PatG -> [[Programme für Datenverarbeitungsanlagen]] -> [[computerimplementierte Erfindungen]] \\ -> [[Erfindung]] \\ -> [[Softwarepatente]] \\ -> [[Rote Taube]] Bei Erfindungen mit Bezug zu Geräten und Verfahren (Programmen) der elektronischen Datenverarbeitung ist zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt [-> [[Technizität]]] (§ 1 Abs. 1 PatG).((BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige)) Ein Verfahren, dessen Gegenstand die Abarbeitung von Verfahrensschritten mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung ist, genügt dem Technizitätserfordernis bereits dann, wenn es der Verarbeitung, Speicherung oder Übermittlung von Daten mittels eines technischen Gerätes dient.((BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom ; m.V.a. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07)) Für das Technizitätserfordernis ist unerheblich, ob der Gegenstand des Patents neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist und welche dieser Merkmale die beanspruchte Lehre prägen.((BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom; BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07)) Ob Kombinationen von technischen und nichttechnischen Merkmalen im Einzelfall patentfähig sind, hängt - abgesehen von etwa einschlägigen anderen Ausschlusstatbeständen - allein davon ab, ob sie neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.((BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom; m.V.a. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten; Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, BGHZ 185, 214 Rn. 15 ff. - Dynamische Dokumentengenerierung, jeweils zu § 1 PatG)) Wegen des [[Patentierungsausschluss für Computerprogramme|Patentierungsausschlusses für Computerprogramme]] [§ 1 (3) Nr. 3 PatG -> [[Programme für Datenverarbeitungsanlagen]]] als solche können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig allerdings erst solche Anweisungen die Patentfähigkeit eines Verfahrens begründen, die die [[Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln]] zum Gegenstand haben.((BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 - X ZR 37/13 - Bildstrom; m.V.a. BGHZ 185, 214 Rn. 21 ff. - Dynamische Dokumentengenerierung, zu § 1 Abs. 3, 4 PatG; BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 30 f. - Wiedergabe topografischer Informationen)) Da unerheblich ist, welche Merkmale den Gegenstand des Anspruchs prägen, ist bei einem Verfahrensanspruch auch nicht entscheidend, ob die Erfindung (prinzipielle) Abwandlungen der Arbeitsweise der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt. Es genügt vielmehr, dass sie die Nutzung solcher Komponenten betrifft und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt.((BGH, Urteil vom 26. Oktober 2010 - X ZR 47/07; m.V.a. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479 = BlPMZ 2009, 183 Rn. 8 ff. - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmo-dalitäten; Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08, GRUR 2010, 613 = BlPMZ 2010, 326 Rn. 19 - Dynamische Dokumentengenerierung)) Der BGH hat die erforderliche Technizität für gegeben erachtet, wenn die Anweisungen der angemeldeten Lehre auf einen in bestimmter Weise gearteten Aufbau, auf eine bestimmte Funktionsfähigkeit oder auf einen in bestimmter Weise beschaffenen Gebrauch des elektronischen Rechners gerichtet sind, der zur Anwendung kommen soll.((BGH, 13.12.1999 X ZB 11/98 - Logikverifikation; m.V.a. BGHZ 115, 11 = GRUR 1992, 33 - Seitenpuffer; BGHZ 67, 22 = GRUR 1977, 98 - Dispositionsprogramm)) Als Lehren zum technischen Handeln sind ferner angesehen worden Programme, die [[Meßverfahren|Meßergebnisse aufarbeiten]], den Ablauf technischer Einrichtungen überwachen oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirken((BGH, 13.12.1999 X ZB 11/98 - Logikverifikation; m.V.a. BGH GRUR 1992, 430, 431 - Tauchcomputer - u. die Nachw. bei Melullis, GRUR 1998, 843, 847 f.)) Die genannten Möglichkeiten sind jedoch nur Beispiele; sie bilden keinen abschließenden Katalog.((BGH, 13.12.1999 X ZB 11/98 - Logikverifikation; m.V.a. BGH, Beschluß vom 30.5.1980 - Antiblockiersystem)) ==== Gesamtbetrachtung ==== Ob eine auf ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung die erforderliche Technizität aufweist, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung des Anmeldungsgegenstandes im Einzelfall festzustellen.((BGH, 13.12.1999 X ZB 11/98 - Logikverifikation; m.V.a. BGH GRUR 1992, 430, 431 - Tauchcomputer)) Eine Gesamtbetrachtung bedeutet eine Bewertung des in dem angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstandes; dies schließt die Möglichkeit ein, bei Vorliegen sachgerechter Gründe einzelne Anspruchsmerkmale unter Berücksichtigung ihres nach fachmännischem Verständnis gegebenen Zusammenhangs unterschiedlich zu gewichten.((BGH, Beschluß vom 13.12.1999 - X ZB 11/98 - Logikverifikation; m.V.a. BGHZ 115, 23 = GRUR 1992, 36 - Chinesische Schriftzeichen)) ==== nichttechnischen Merkmale ==== Für das Technizitätserfordernis ist es unerheblich, ob der Gegenstand einer Anmeldung neben technischen Merkmalen auch nichttechnische aufweist und welche dieser Merkmale die beanspruchte Lehre prägen.((BGH, Beschluss vom 22. April 2010 - Xa ZB 20/08 - Dynamische Dokumentengenerierung)) ==== Neuheit und erfinderische Tätigkeit ==== Ob Kombinationen von technischen und nicht-technischen bzw. vom Patentschutz ausgeschlossenen Merkmalen im Einzelfall patentfähig sind, hängt vielmehr - abgesehen von etwa einschlägigen Ausschlusstatbeständen des § 1 Abs. 3 PatG - allein davon ab, ob sie neu sind und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.((BGH, Beschl. v. 20.1.2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479) BGH GRUR 2009, 479 Tz. 10 m.w.N.)) ==== Vorrichtungen (Datenverarbeitungsanlagen) ==== Einer Vorrichtung ([[Datenverarbeitungsanlage]]), die in bestimmter Weise programmtechnisch eingerichtet ist, kommt ohne weiteres technischer Charakter zu.((BGH X ZB 15/98 - "Sprachanalyseeinrichtung", BGH X ZB 34/03 - Rentabilitätsermittlung))) Für die Technizität einer erfindungsgemäßen Lehre genügt ihre Einbettung in eine technische Vorrichtung.((BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 4/07 - Glasflaschenanalysesystem; m.V.a. für Sachansprüche BGHZ 144, 282 - Sprachanalyseeinrichtung; für Verfahrensansprüche BGH, Beschl. v. 20.1.2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479 Tz. 8 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten)) Enthält ein auf ein elektronisches Mitteilungssystem gerichteter Anspruch die Anweisung, wie die benötigte Hardware konfiguriert sein muss, und sind insbesondere ein spezieller Speicher und ein Verteiler vorgesehen, so liegt mit diesen beiden Komponenten eine Hardwarekonfiguration vor, so dass schon dadurch die Technizität gegeben ist.((BPatG Beschl. v. 19.02.2004 – 17 W (pat) 10/02)) -> [[Funktion einer Datenverarbeitungsanlage als solche]] ==== Verfahren für Datenverarbeitungsanlagen ==== Es genügt auch bei einem Verfahrensanspruch für die Erfüllung des Technizitätserfordernisses, wenn die Erfindung eine bestimmte Nutzung der Komponenten einer Datenverarbeitungsanlage lehrt und damit eine Anweisung zum technischen Handeln gibt.((BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige; m.V.a. BGHZ 185, 214 Rn. 20 mwN - dynamische Dokumentengenerierung)) Ein Verfahren, das der datenverarbeitungsmäßigen Abarbeitung von Verfahrensschritten in netzwerkmäßig verbundenen technischen Geräten (Server, Clients) dient, weist die für den Patentschutz vorauszusetzende Technizität auch dann auf, wenn diese Geräte nicht ausdrücklich im Patentanspruch genannt sind.((BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige)) ==== Technische Überlegungen ==== Eine computerimplementierte Erfindung unterliegt nicht dem [[Patentierungsausschluß]], wenn die Lösung durch eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt ist, beispielsweise: * Prüfung und Vergleich von Daten als Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung technischer Gegenstände((BGH - Logikverifikation, BGH - Suche fehlerhafter Zeichenketten)) * technische Überlegungen, die auf den Einsatz oder die Verbesserung herkömmlicher technischer Mittel gerichtet sind (BPatG, Beschl. v. 15.4.2003, 17 W (pat) 46/02 - Elektronischer Zahlungsverkehr) * besondere technische Leistung bei der Umsetzung der Schritte in computerausführbare Anweisungen (BPatG, Beschl. v. 15.4.2003, 17 W (pat) 46/02 - Elektronischer Zahlungsverkehr) ==== Patentierungsausschluss ==== Auch ein auf dem [[Technizität|Gebiet der Technik]] eingesetztes Verfahren ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht schon deswegen dem Patentschutz zugänglich, weil es zur Herbeiführung des angestrebten Erfolgs auch den Einsatz eines Programms zur Steuerung einer Datenverarbeitungsanlage vorsieht.((BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige; m.V.a. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2004 - X ZB 33/03, GRUR 2005, 141 - Anbieten interaktiver Hilfe; vom 24. Mai 2004 - X ZB 20/03, BGHZ 159, 197 = GRUR 2004, 667 - elektronischer Zahlungsverkehr)) Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt, muss die beanspruchte Lehre vielmehr über die für die Patentfähigkeit unabdingbare Technizität hinaus Anweisungen enthalten, die der [[Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln]] dienen.((st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2011 - X ZR 121/0 - Webseitenanzeige; BGH, Beschluss vom 20. Januar 2009 - X ZB 22/07, GRUR 2009, 479 Rn. 11 - Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten; BGHZ 185, 214 Rn. 22 - dynamische Dokumentengenerierung)) § 1 (3) Nr. 3 PatG -> [[Programme für Datenverarbeitungsanlagen]] \\ ===== siehe auch ===== * [[Technizität]]