====== Standardisierungsdokumente als Stand der Technik ====== Der Fachmann, der mit einer punktuellen Verbesserung einer in einem internationalen Standard vorgesehenen Datenstruktur befasst ist, hat in der Regel Veranlassung, zur Lösung des technischen Problems auf Mechanismen zurückzugreifen, die im Standard bereits vorgesehen sind.((BGH, Urteil vom 22. November 2011 - X ZR 58/10 - E-Mail via SMS)) Ergibt sich aus dem Standard eine überschaubare Zahl von möglichen Lösungsansätzen, von denen jeder spezifische Vor- und Nachteile hat, gibt dies in der Regel Veranlassung, jeden dieser Lösungsansätze in Betracht zu ziehen.((BGH, Urteil vom 22. November 2011 - X ZR 58/10 - E-Mail via SMS)) Der Umstand, dass ein Lösungsweg nur in einer früheren Version eines technischen Standards aufgezeigt, in einer späteren Version aber nicht weiterverfolgt wurde, führt nicht ohne weiteres dazu, dass dieser Weg als nicht naheliegend anzusehen ist.((BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 - X ZR 35/11 - Zugriffsrechte)) Für eine Veranlassung des Fachmanns, eine in einem Entwurf für einen technischen Standard beschriebene Routine in bestimmter, dem Ziel des Verfahrens dienlicher Weise weiterzuentwickeln, kann es sprechen, wenn im Entwurf enthaltene Verfahrensschritte ohnehin darauf angelegt sind, vom Fachmann konkretisiert zu werden, oder die Routine aus fachmännischer Sicht (möglicherweise) noch lückenhaft und im weiteren Standardisierungsprozess mit ergänzenden Angaben auszufüllen ist.((BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 - X ZR 5/14 - Anrufroutingverfahren)) Dokumente, die für die Teilnehmer eines Treffens einer Studiengruppe der Standardisierungsorganisation der International Telecommunication Union (ITU-T) auf einem [[ftp-Server]] vorgehalten werden, sind grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich, wenn sie über ein Verzeichnis aufgerufen werden können, das den Mitgliedern der Studiengruppe als Speicherort für fachbezogene Veröffentlichungen bekannt ist und als Informationsquelle zur Verfügung steht.((BGH, Urteil vom 3. Mai 2022 - X ZR 32/20 - Initialisierungsverfahren; Fortführung von BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - X ZR 81/19, GRUR 2022, 59 - Diskontinuierliche Funkverbindung, und vom 18. Januar 2022 - X ZR 14/20, GRUR 2022, 546 - CQI-Bericht)) Ein elektronisches Dokument, das im Internet auf einem ftp-Server vorgehalten wird, ist jedenfalls dann der Öffentlichkeit zugänglich, wenn es über ein Verzeichnis aufgerufen werden kann, das der Öffentlichkeit als Speicherort für fachbezogene Veröffentlichungen bekannt ist und als Informationsquelle zur Verfügung steht.((BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - X ZR 81/19 - Diskontinuierliche Funkverbindung)) Der ftp-Server von [[3GPP]] ist nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts in Fachkreisen bekannt und für Fachleute zugänglich. Wie die Klägerinnen durch den Ausdruck des Dateiverzeichnisses (NK12b) illustriert haben, können die auf dem Server abgelegten Dateien in einem nach Arbeitsgruppen, Sitzungen und Dateityp eingeteilten Verzeichnis aufgelistet und von dort heruntergeladen werden. Dies reicht, wie auch schon eine Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts entschieden hat((EPA, Beschluss vom 28. Juni 2013 - T 1469/10, Abs. 2.3.2), aus, um die dort gespeicherten Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.((BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 - X ZR 81/19 - Diskontinuierliche Funkverbindung)) Äußert sich ein Teilnehmer eines Treffens einer Arbeitsgruppe außerhalb einer Sitzung im Gespräch mit anderen Teilnehmern zu technischen Sachverhalten, muss er regelmäßig nicht damit rechnen, dass diese Informationen einem nicht begrenzten Kreis von Personen zugänglich werden. Auch wenn die betreffende Äußerung gegenüber Vertretern eines Wettbewerbers erfolgt, darf er damit rechnen, dass sie von diesen vertraulich behandelt und allenfalls mit Mitarbeitern des von ihnen repräsentierten Unternehmens erörtert wird.((X ZR 14/20, GRUR 2022, 546 - CQI-Bericht)) ===== siehe auch ===== -> [[Technische Standards]]