====== Haftung für die Patentverletzung ====== -> [[Haftung des Spediteurs oder Frachtführers für die Patentverletzung]] \\ -> [[Haftung des Lieferanten für die Patentverletzung]] \\ -> [[Haftung bei mittelbarer Patentverletzung]] \\ Es ist grundsätzlich Sache des Verletzers, sich vor Aufnahme der Herstellung oder des Vertriebs eines technischen Erzeugnisses zu vergewissern, dass damit nicht Schutzrechte Dritter verletzt werden [-> [[Patentverletzung]]].((BGH, Urteil vom 22. Februar 2022 - X ZR 102/19 - Aminosäureproduktion; m.V.a. BGH, Urteil vom 19. Dezember 2000 - X ZR 150/98, BGHZ 146, 217 = GRUR 2001, 323, 327 - Temperaturwächter; Urteil vom 5. Mai 2020 - KZR 36/17, BGHZ 225, 269 = GRUR 2020, 961 Rn. 109 - FRAND-Einwand I)) Ein Unternehmen muss schon vor Aufnahme des Vertriebs eines technischen Erzeugnisses prüfen, ob dieses in den Schutzbereich fremder technischer Schutzrechte fällt.((BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - X ZR 123/20 - CQI-Bericht II; m.V.a. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 30/14, BGHZ 208, 182 Rn. 114 ff. - Glasfasern II)) Bei Erfüllung dieser Verpflichtung ist es regelmäßig in der Lage, auf Vortrag zu den Eigenschaften des Erzeugnisses in der gebotenen Weise zu erwidern. Kommt es dieser Verpflichtung nicht nach, darf dies nicht zu Lasten der Gegenseite gehen.((BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - X ZR 123/20 - CQI-Bericht II)) Wer ein Erzeugnis anbietet oder in Verkehr bringt, darf sich der Verantwortung für eine darin liegende Rechtsverletzung nicht dadurch entziehen, dass er Eigenschaften und Funktionsweise des Erzeugnisses nicht zur Kenntnis nimmt. Wenn eine solche Partei nicht selbst über die relevanten Informationen verfügt, ist sie im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren gehalten, sich diese Informationen von Dritten zu verschaffen, etwa durch Nachfrage bei Herstellern und Lieferanten oder durch eigene Untersuchungen. Im [[Verletzungsrechtsstreit]] kann von der in Anspruch genommenen Partei deshalb grundsätzlich verlangt werden, dass sie auf Vortrag des Gegners zu den technischen Eigenschaften der angegriffenen Ausführungsform konkret erwidert.((BGH, Urteil vom 24. Januar 2023 - X ZR 123/20 - CQI-Bericht II; m.V.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Januar 2017 - 2 U 43/12, juris Rn. 166; Urteil vom 8. Dezember 2016 - 2 U 6/13, juris Rn. 75 ff.; Urteil vom 17. Dezember 2015 - 2 U 54/04, juris Rn. 144; LG Mannheim, Urteil vom 4. Mai 2010 - 2 O 142/08, InstGE 12, 136, juris Rn. 214; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kapitel B Rn. 10; Cepl/Voß/Nielen, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl., § 138 ZPO Rn. 36; Musielak/Voit/Stadler, ZPO, 19. Aufl., § 138 Rn. 17)) ==== Haftung des Mittäters ==== Es kann nicht nur derjenige, der sich vorsätzlich an der Benutzung des geschützten Gegenstands durch einen Dritten beteiligt, für eine Patentverletzung mit einzustehen haben, sondern auch derjenige, der eine Benutzung des geschützten Gegenstands durch einen Dritten durch eigenes pflichtwidriges Verhalten ermöglicht [-> [[Privatrecht:Mittäterschaft]]].((BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - Ultraschallwandler; m.V.a. BGH, Urteil vom 17. September 2009 - Xa ZR 2/08, BGHZ 182, 245 Rn. 34 - MP3-Player-Import)) Beruht der Mitverursachungsbeitrag nicht auf Vorsatz, setzt dessen Zurechnung jedoch in der Regel die Verletzung einer Rechtspflicht durch den Handelnden voraus, die auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und daher zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre.((BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 - X ZR 47/19 - Ultraschallwandler; m.V.a. BGHZ 182, 245 Rn. 36 - MP3-Player-Import)) Wegen pflichtwidriger und schuldhafter Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung ist zwar auch derjenige verantwortlich, dessen eigene Handlungen für sich gesehen keine Patentverletzung darstellen. Solche Handlungen können Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG aber nur dann begründen, wenn es zu einer Patentverletzung durch den Dritten gekommen ist oder wenn zumindest [[Erstbegehungsgefahr]] besteht.((BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGH, Urteil vom 30. April 1964 - Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 497 - Formsand II)) Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Handlungen des Lieferanten den Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung im Sinne von § 10 PatG erfüllen, der als eigener Gefährdungstatbestand ausgestaltet ist und deshalb eine bereits begangene oder drohende unmittelbare Patentverletzung nicht voraussetzt.((BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGH, Urteil vom 3. Juni 2004 - X ZR 82/03, BGHZ 159, 221, 231 f. = GRUR 2004, 845, 848 - Drehzahlermittlung; Urteil vom 7. Juni 2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 852 - Antriebsscheibenaufzug; Urteil vom 13. Juni 2006 - X ZR 153/03, BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839 Rn. 23 - Deckenheizung)) Die Zurechnung eines Mitverursachungsbeitrags bedarf bei nicht vorsätzlichem Handeln allerdings einer zusätzlichen Rechtfertigung. Sie besteht in der Regel in der Verletzung einer Rechtspflicht, die jedenfalls auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und daher zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre.((BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGHZ 182, 245 = GRUR 2009, 1142 Rn. 36 - MP3-Player-Import)) Ob und in welchem Umfang eine Rechtspflicht zur Verhinderung eines schutzrechtsverletzenden Erfolgs besteht, richtet sich im Einzelfall nach der Abwägung aller betroffenen Interessen und relevanten rechtlichen Wertungen. Von entscheidender Bedeutung ist, ob und inwieweit dem in Anspruch Genommenen nach den Umständen des Falles ein Tätigwerden zuzumuten ist. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Schutzbedürftigkeit des Verletzten und der Zumutbarkeit von Prüfungs- und Handlungspflichten, die von Dritten zu beachten sind: Je schutzwürdiger der Verletzte, desto mehr Rücksicht auf seine Interessen kann dem Dritten zugemutet werden. Je geringer das Schutzbedürfnis, desto kritischer ist zu prüfen, ob von dem Dritten erwartet werden muss, Schutzrechtsverletzungen aufzuspüren und gegebenenfalls abzustellen oder zu verhindern.((BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 - X ZR 120/15 - Abdichtsystem; m.V.a. BGHZ 182, 245 = GRUR 2009, 1142 Rn. 43 - MP3-Player-Import)) ===== siehe auch ===== -> [[Patentverletzung]]