====== Einfluß der Anmeldeunterlagen auf die Auslegung ====== Der Senat hat hierbei offengelassen, ob auf Patentveröffentlichungen wie die amtlich veröffentlichte Patentanmeldung oder frühere Fassungen der später etwa im Einspruchsverfahren oder im Beschränkungsverfahren geänderten Patentschrift zurückzugreifen ist, wenn sich der Gehalt der maßgeblichen Fassung der Patentschrift erst aus einem Vergleich mit diesen erschließt und damit zu einem Niederschlag auch in dieser geführt hat.((BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 30/14 - Glasfasern II; m.V.a. BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 - X ZR 16/09, BGHZ 189, 330, 340 f. = GRUR 2011, 701, 704 Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 33 - Gelenkanordnung)) Abweichungen zwischen der Patentschrift und der veröffentlichten Patentanmeldung bei der Auslegung eines Patents finden in der Regel keine Berücksichtigung.((BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08 - Gelenkanordnung; zur Irrelevanz von nicht veröffentlichten Unterlagen vgl. BGHZ 150, 161, 162 ff. - Kunststoffrohrteil)) Der Umstand, dass eine möglicherweise einschränkende Formulierung aus der Anmeldung nicht in die Patentschrift übernommen wurde, kann nicht dazu führen, Gegenstand oder Schutzbereich des Patents in entsprechender Weise einzuschränken.((BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - Xa ZR 36/08 - Gelenkanordnung)) Der Inhalt der Ursprungsunterlagen oder der Veröffentlichung der Anmeldung bleibt bei der Auslegung außer Betracht. Weder darf der Patentanspruch - zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung - nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden((BGHZ 194, 107, Rn. 28 - Polymerschaum I)), noch darf umgekehrt sein Sinngehalt dadurch ermittelt werden, dass dem Wortlaut des Patentanspruchs abweichende Formulierungen der Anmeldung gegenübergestellt werden. Allenfalls dann, wenn zweifelhaft bleibt, ob sich Patentanspruch und Beschreibung sinnvoll zueinander in Beziehung setzen lassen, darf die "Anspruchsgeschichte" zur weiteren Klärung der Frage herangezogen werden, ob mit dem Anspruch ein Gegenstand unter Schutz gestellt worden ist, der von dem in der Beschreibung offenbarten abweicht oder hinter diesem zurückbleibt.((BGH, Urteil vom 12. Mai 2015 - X ZR 43/13 - Rotorelemente; m.V.a. BGHZ 189, 330, Rn. 25 - Okklusionsvorrichtung; BGHZ 194, 107, Rn. 28 - Polymerschaum I)) Dem Patentanspruch darf nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden, weil sein Gegenstand andernfalls gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre.((BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11 - Polymerschaum)) ===== siehe auch ===== -> [[Auslegung der Patentansprüche]]