====== Aufbrauchfrist ====== Eine Aufbrauchfrist kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof im Allgemeinen, beispielsweise in Wettbewerbsstreitigkeiten, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in Betracht, wenn der unterlassungspflichtigen Partei bei sofortiger Wirkung des Untersagungsgebots unverhältnismäßige Nachteile entstünden und die befristete Fortsetzung des angegriffenen Verhaltens für den Verletzten keine unzumutbaren Beeinträchtigungen mit sich bringt.((BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - Wärmetauscher; m.V.a. BGH, Urteil vom 11. März 1982 - I ZR 58/80, GRUR 1982, 425, 431 - Brillen-Selbstabgabestellen)) Inwieweit eine Aufbrauchfrist auch im Falle einer Patentverletzung gewährt werden kann, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden.((BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - Wärmetauscher; m.V.a. BGH, Urteil vom 2. Dezember 1980 - X ZR 16/79, GRUR 1981, 259 - Heuwerbungsmaschine II, wo das Berufungsgericht eine solche Frist gewährt hatte, das Klagepatent aber vor Einlegung der Revision abgelaufen war; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. Februar 1959 - I ZR 170/57, GRUR 1959, 528 - Autodachzelt)) In der patentrechtlichen Fachliteratur wird vertreten, über die Gewährung einer Aufbrauchfrist einzelfallbezogen unter abwägender Berücksichtigung aller beteiligten Interessen und subjektiver Elemente (Gut- oder Bösgläubigkeit des Verletzers) zu entscheiden. Dabei wird insbesondere Raum für eine ausnahmsweise zu bewilligende Aufbrauchfrist gesehen, wenn der Verletzungsgegenstand nur einen kleinen, aber funktionswesentlichen Bestandteil eines technisch komplexen Geräts betrifft und nicht in zumutbarer Zeit durch ein patentfreies oder lizenzierbares Produkt ersetzt werden kann.((BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - Wärmetauscher ; m.V.a. Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 139 Rn. 136a mwN; für Anlegung eines strengen Maßstabs unter Berücksichtigung von Art und Umfang des Verschuldens des Verletzers, des Verhaltens des Berechtigten und der wirtschaftlichen Auswirkungen auch Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl. § 139 Rn. 82)) Die Gewährung einer Aufbrauchfrist kommt im Falle einer Patentverletzung aus in der Natur der Beeinträchtigung liegenden Gründen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht. Es geht in diesem Fall nicht darum, dass etwa für sich genommen rechtmäßig hergestellte Waren mit markenverletzenden Zeichen versehen werden((vgl. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, 34. Aufl. § 8 UWG Rn. 1.58)) oder die Rechte und Interessen des Berechtigten nur mittelbar durch unrechtmäßige Werbemaßnahmen oder Ähnliches gefährdet sind((vgl. dazu etwa Ahrens/Bähr, Der Wettbewerbsprozess, 7. Auflage, Kap. 38 Rn. 1 mwN)). Vielmehr wird bei der Patentverletzung entgegen der Wirkung des Patents (§ 9 PatG) unmittelbar ein geschütztes Erzeugnis hergestellt oder in den Verkehr gebracht oder ein geschütztes Verfahren benutzt. Es ist daher notwendige Folge des patentrechtlichen Unterlassungsanspruchs, dass der Verletzer die patentverletzende Produktion oder den patentverletzenden Vertrieb einstellen muss und das betroffene Produkt erst dann wieder auf den Markt bringen kann, wenn er sich entweder die dafür benötigten Rechte vom Patentinhaber verschafft oder das Produkt so abgewandelt hat, dass es das Schutzrecht nicht mehr verletzt, was gegebenenfalls erheblichen Zeit- und Kostenaufwand erfordern kann. Die damit zwangsläufig verbundenen Härten sind grundsätzlich hinzunehmen. Eine Einschränkung der Wirkung des Patents durch Gewährung einer Aufbrauchfrist ist deshalb nur dann zu rechtfertigen, wenn die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Befolgung des Unterlassungsgebots den Verletzer im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände über die mit seinem Ausspruch bestimmungsgemäß einhergehenden Beeinträchtigungen hinaus in einem Maße treffen und benachteiligen, das die unbedingte Untersagung als unzumutbar erscheinen lässt.((BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - Wärmetauscher)) Die Einräumung einer Aufbrauchfrist kommt im [[Patentverletzungsprozess]] nur dann in Betracht, wenn die sofortige Durchsetzung des [[Unterlassungsanspruch|Unterlassungsanspruchs]] des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht und die regelmäßigen Folgen seiner Durchsetzung nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre.((BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 - X ZR 114/13 - Wärmetauscher)) ===== siehe auch ===== -> [[Unterlassungsanspruch]]