====== Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung ====== Die Frage der [[rechtserhaltende Benutzung|Benutzung]] der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 MarkenG unterliegt - abweichend von dem das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren ansonsten beherrschenden Grundsatz, dass der Sachverhalt von [[Verfahrensrecht:Amtsermittlungsgrundsatz|Amts wegen zu erforschen]] ist - dem [[Verfahrensrecht:Beibringungsgrundsatz|Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz]].((vgl. BGH, Beschl. v. 14.5.1998 - I ZB 9/96, GRUR 1998, 938, 939 = WRP 1998, 993 - DRAGON; BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2005 - I ZB 20/03 - GALLUP)) Bei der Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Obliegenheit der Widersprechenden, so dass sie die volle Verantwortung für eine vollständige Glaubhaftmachung trägt.((BPatG, Beschl. v. 24. März 2022 - 25 W (pat) 528/21; m.V.a. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 13. Auflage, § 43 Rn. 64 und 65)) Glaubhaftmachung gemäß § 43 Abs. 1 MarkenG a. F. i. V. m. § 294 ZPO verlangt zwar keine volle Beweisführung, vielmehr genügt eine geringere, lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit der (bestrittenen) Benutzung.((BPatG, Beschl. v. 24. März 2022 - 25 W (pat) 528/21; m.V.a. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage, § 294 Rn. 1; Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 43 Rn. 58 ff.)) Die Widersprechende hat dazu die wesentlichen Umstände der Benutzung ihrer Marke, insbesondere nach Art, Zeit, Ort und Umfang in dem maßgeblichen Benutzungszeitraum darzutun und glaubhaft zu machen. Ernsthaft benutzt wird die Marke, wenn sie in üblicher und sinnvoller Weise für die Waren und Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, im Inland verwendet wird, um für diese einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, wobei die Fälle ausgeschlossen sind, in denen die Marke nur symbolisch verwendet wird, um die durch sie begründeten Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Verwertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu gehören vor allem Dauer und Intensität der Benutzung sowie die Art der Waren und Dienstleistungen.((BPatG, Beschl. v. 24. März 2022 - 25 W (pat) 528/21; m.V.a. EuGH GRUR 2003, 425 Rn. 38 – Ajax/Ansul; GRUR 2006, 582, 584 Rn. 70 – VITAFRUIT; BGH GRUR 2014, 662 Rn. 12 – Probiotik; GRUR 2013, 925 Rn. 38 – VOODOO)) Anders als im Verletzungsverfahren und im Löschungsverfahren ist die rechtserhaltende Benutzung in den Fällen des § 43 MarkenG nicht gemäß § 286 ZPO [[Verfahrensrecht:Vollbeweis|voll zu beweisen]], sondern lediglich i.S. des § 294 ZPO [[Verfahrensrecht:Glaubhaftmachung|glaubhaft zu machen]]. Der insoweit zu führende Nachweis ist bereits dann als erbracht anzusehen, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des behaupteten Sachverhalts spricht((vgl. BGHZ 156, 139, 142 m.w.N.)). Davon bleibt unberührt, dass in dieser Hinsicht der Widersprechende die Verantwortung für die vollständige Glaubhaftmachung trägt und verbleibende Zweifel zu seinen Lasten gehen((vgl. BPatG GRUR 1996, 981, 982 - ESTAVITAL, m.w.N.; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 43 Rdn. 26)).((BGH, Beschl. v. 6. Oktober 2005 - I ZB 20/03 - GALLUP)) Das Bestreiten der Benutzung ist eine echte Einrede, die von der Partei selbst klar und deutlich vorgebracht werden muß. Einer Aufforderung zur [[Verfahrensrecht:Glaubhaftmachung]] der Benutzung ist nicht erforderlich. Auszugehen ist von dem allgemeinen Grundsatz, dass sich die erforderliche Art einer rechtserhaltenden Benutzung nach den jeweiligen branchenüblichen Verwendungsformen von Marken bemisst. Sofern bei den einschlägigen Waren die jeweiligen Marken üblicherweise auf der Ware selbst, ihrer Verpackung oder Umhüllung angebracht werden, sind diese Verwendungsformen auch zur Anerkennung einer rechtserhaltenden Benutzung unabdingbar, weil nur auf diese Weise die erforderliche Herkunftsfunktion erfüllt wird.((BPatG, Beschl. v. 24. März 2022 - 25 W (pat) 528/21; m.V.a. EuGH GRUR 2003, 425 Rdnr. 36 – Ansul/Ajax; BGH GRUR 2011, 623 Rdnr. 23 – Peek & Cloppenburg II; GRUR 1996, 267, 268 – AQUA; GRUR 1995, 347, 348 – TETRASIL; BPatG GRUR 1996, 981, 982 – ESTAVITAL)) Zur Glaubhaftmachung der funktionsgerechten Verwendung ist es daher erforderlich, die Originalware oder -verpackung vorzulegen oder in anderer Form, z. B. durch Fotos oder Kataloge, die tatsächlich vorgenommene Verbindung zwischen Marke und Produkt aufzuzeigen.((BPatG, Beschl. v. 24. März 2022 - 25 W (pat) 528/21; m.V.a. BPatG Mitt 2006, 567, 569 – VisionArena/@rena vision)) ==== Mittel der Glaubhaftmachung ==== Als Mittel der Glaubhaftmachung können nach § 294 ZPO die [[Verfahrensrecht:Beweismittel|allgemeinen Beweismittel]] sowie die [[Verfahrensrecht:eidesstattliche Versicherung]] dienen. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 286 Satz 1 ZPO), ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. Im Widerspruchsverfahren obliegt es der Widersprechenden, nach einer [[Nichtbenutzungseinrede]] alle zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Umstände (insbesondere die Verwendung der Marke nach Art, Zeit und Umfang) darzulegen und glaubhaft zu machen.((BPatG, 13.01.2000 25 W (pat) 8/99 - "Neuro-Vibolex" GRUR 2000, 901)) Anders bei der [[Löschung wegen Verfall]], bei der nach § 49 MarkenG trägt grundsätzlich der Löschungskläger die Behauptungs- und Beweislast trägt (stimmt das:?:). Gewöhnlich wird im Verfahren vor dem Patentgericht zusätzlich zur [[Verfahrensrecht:eidesstattliche Versicherung|eidesstattlichen Versicherung]] Material zur Glaubhaftmachung gefordert. Das Prinzip der [[Verfahrensrecht:freie Beweiswürdigung|freien Beweiswürdigung]] gilt auch bei der [[[Verfahrensrecht:eidesstattliche Versicherung|eidesstattlichen Versicherung]]. So wird mitunter die Meinung vertreten, eine eidesstattliche Versicherung genügt den Anforderungen auch, wenn kein weiteres Material geliefert wird.((BPatG 28 W (pat) 183/03: //"An die Glaubhaftmachung der Benutzung dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Regelmäßig wird bereits eine sorgfältig begründete eidesstattliche Versicherung ohne Einreichung weiterer Unterlagen ausreichen, wenn sich hieraus auch die tatsächliche Benutzungsform erkennen läßt."//)) Die Glaubhaftmachung der Benutzung als eine abgeschwächte Form der Beweisführung ist nicht in einem nachgelassenen Schriftsatz möglich.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04; m.V.a. BPatG GRUR 1999, 350, 352 - Ruoc/ROC; GRUR 1997, 370, 372 - LAILIQUE/LALIQUE)) === Eidesstattliche Versicherung === Eine eidesstattliche Versicherung, die keine Angabe zur Art der Verwendung der Marke für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen enthält, ist für sich allein zur Glaubhaftmachung einer ernsthaften Benutzung nicht ausreichend.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) ==== Glaubhaftmachungsunterlagen ==== Verwendungshandlungen sind durch eine nachvollziehbare Darstellung aller zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Umstände darzulegen. Zur Glaubhaftmachung kann sich die Widersprechende aller Beweismittel bedienen, also einer eidesstattlichen Versicherung und der Vorlage von Prospekten oder Werbung, die verschiedene konkrete Bekleidungsstücke zeigen, sowie Etiketten.((BPatG, Beschluss vom 19. 9. 2006 – 27 W (pat) 171/05.)) bla ==== Hinweispflicht des Gerichts ==== Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung einer Widerspruchsmarke unterliegt dem Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz((vgl. BGH GRUR 1998, 938, 939 - DRAGON)). Da nach einhelliger Auffassung in Literatur und Rechtsprechung das Gericht nicht auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel hinweisen darf, ist es ihm auch insbesondere verwehrt auf die Möglichkeit der Erhebung der Nichtbenutzungseinrede hinzuweisen.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04; m.V.a. Fezer a. a. O. § 43 Rn. 7; Ingerl/Rohnke a. a. O. § 43 Rn. 11; Ströbele/Hacker, a. a. O. § 43 Rn. 2)) Die Rechtsprechung ist jedoch uneinheitlich zu der Frage, inwieweit die Neutralitätspflicht des Gerichts es darüber hinaus verbietet, auf die zur Glaubhaftmachung geeigneten Tatsachen oder Beweismittel bzw. auf Mängel der eingereichten Unterlagen hinzuweisen.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) Nach der Auffassung der Mehrheit der Senate des Bundespatentgerichts werden dahingehende gerichtliche Hinweise generell als unzulässig angesehen, weil sie zu einer Verlagerung der ausschließlich dem Widersprechenden obliegenden Verpflichtung zur Beibringung geeigneter Tatsachen und Beweismittel führen würde.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04; m.V.a u. a. BPatG GRUR 2004, 950, 953 - ACELAT/Acesal; GRUR 2000, 900, 902 - Neuro-Vibolex; 28 W (pat) 35/99 - MINKAS/Minka; 30 W (pat) 71/02 - SOLO; 33 W (pat) 101/01 - LIONS/LIONS)) -> [[Verfahrensrecht:gerichtliche Hinweispflicht]] (Verfahrensrecht) Ein Hinweis des Gerichts nach § 139 Abs. 2 ZPO jedenfalls in den Fällen erforderlich ist, in denen: * die Markenstelle die Glaubhaftmachung der Benutzung mangels Verwechslungsgefahr dahingestellt gelassen hat, das Gericht die Frage der rechtserhaltenden Benutzung aber als entscheidungserheblich ansieht;((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) * die Markenstelle die zur Glaubhaftmachung eingereichten Unterlagen als ausreichend angesehen hat und das Gericht von dieser Beurteilung der Vorinstanz abweichen will;((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) * sich der maßgebliche Benutzungszeitraum aufgrund der langen Verfahrensdauer verschoben hat, so dass die im Verfahren vor der Markenstelle eingereichten und als ausreichend angesehenen Unterlagen den Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG nicht mehr abdecken;((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) * eine im Verfahren vor der Markenstelle unzulässig erhobene Einrede im Beschwerdeverfahren erneut erhoben wird und auf Grund des Ablaufs der Benutzungsschonfrist nunmehr wirksam ist;((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04; m.V.a. BPatG, 24 W (pat) 279/04 - wellSUN/SUN-WELL)) * die eidesstattliche Versicherung formelle Mängel aufweist.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) Weist das Gericht den Widersprechenden erst in der mündlichen Verhandlung auf Mängel der zur Glaubhaftmachung der Benutzung eingereichten Unterlagen hin, liegt darin kein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO.((BPatG, Beschl. v. 31. Mai 2006, 29 W (pat) 127/04)) ==== Verspätetes Vorbringen ==== Die Zurückweisung erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegter Glaubhaftmachungsunterlagen als [[verspätetes Vorbringen]] kommt nur in Betracht, wenn nicht durch Gewährung einer [[Verfahrensrecht:Schriftsatzfrist]] nach § 283 ZPO in Verbindung mit der Anberaumung eines Verkündungstermins nach § 79 Abs. 1 Satz 1 MarkenG eine Verzögerung des Verfahrens zu vermeiden ist.((BPatG, Beschluss vom 19. 9. 2006 – 27 W (pat) 171/05; m.V.a. STRÖBELE/HACKER, Markengesetz, 8. Aufl., § 43 Rn. 64 letzter Absatz m. w. Nachw.)) ===== siehe auch ===== * [[Rechtserhaltende Benutzung]] * [[Nichtbenutzungseinrede]] * [[Verfall wegen Nichtbenutzung]] * [[Verfahrensrecht:Glaubhaftmachung]] (Verfahrensrecht) * [[Verfahrensrecht:gerichtliche Hinweispflicht]] (Verfahrensrecht)