====== Erschöpfung des Markenrechts ====== **§ 24 (1) MarkenG** Der [[Markeninhaber|Inhaber einer Marke]] oder einer [[geschäftliche Bezeichnung|geschäftlichen Bezeichnung]] hat nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke oder die geschäftliche Bezeichnung für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. § 24 (2) MarkenG -> [[Ausnahmen vom Erschöpfungsgrundsatz]] -> [[Inverkehrbringen der Markenware]] \\ -> [[Erschöpfung durch Übergabe der Ware an eine Transportperson]] \\ -> [[Unternehmensinterne Warenbewegungen]] \\ -> [[Erschöpfung durch Handlungen des Lizenznehmers]] \\ -> [[Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen der Markenware]] \\ -> [[Territoriale Reichweite der Erschöpfung]] \\ -> [[Umfang der Erschöpfung]] \\ -> [[Wiederverkauf]] \\ -> [[Patentrecht:Erschöpfung|Erschöpfung im Patentrecht]] \\ -> [[:Parallelimport]] \\ -> [[:Internationale Erschöpfung]] \\ -> [[Patentrecht:Erschöpfung|Erschöpfung im Patentrecht]] \\ -> [[Schranken des Markenschutzes]] \\ -> [[Vertrieb von ihm in Verkehr gebrachter Waren in einem veränderten Zustand]] \\ -> [[Umverpackung der Markenware]] \\ Nach § 24 Abs. 1 MarkenG hat der Inhaber einer Marke nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.((BGH, Urteil vom 25. Juli 2019 - I ZR 29/18 - ORTLIEB II)) Entsprechend sehen Art. 13 Abs. 1 GMV [-> [[.GM:Erschöpfung des Rechts aus der Gemeinschaftsmarke]]] und Art. 15 Abs. 1 UMV vor, dass eine Unionsmarke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, die Benutzung der Marke für Waren zu untersagen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind.((BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20 - myboshi)) § 24 Abs. 1 MarkenG diente der Umsetzung von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95/EG und setzt nunmehr Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/2436 um.((BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20 - myboshi)) Dem Markeninhaber steht das ausschließliche Recht zu, das erste [[Inverkehrbringen der Markenware]] in der Gemeinschaft zu kontrollieren.((BGH, Urt. v. 15. Februar 2007 - I ZR 63/04 - Parfümtester; vgl. EuGH, Urt. v. 18.10.2005 - C-405/03, Slg. 2005, I-8735 = GRUR 2006, 146 Tz. 33 = MarkenR 2005, 489 - Class International/Colgate-Palmolive)) Dadurch soll dem Markeninhaber die Möglichkeit eingeräumt werden, den wirtschaftlichen Wert seiner Marke zu realisieren.((BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 55/20 - Hyundai-Grauimport; m.V.a. EuGH, Urteil vom 30. November 2004 - C-16/03, Slg. 2004, I-11313 = GRUR 2005, 507 Rn. 35, 36, 41 - Peak Holding [Peak Performance]; Urteil vom 18. Oktober 2005 - C-405/03, Slg. 2005, I-8735 = GRUR 2006, 146 Rn. 33 - Class International [Aquafresh]; Urteil vom 25. Juli 2018 - C-129/17, GRUR 2018, 971 Rn. 46 f. = WRP 2018, 1317 - Mitsubishi Shoji Kaisha u.a. [MITSUBISHI]; BGH, Urteil vom 27. April 2006 - I ZR 162/03, GRUR 2006, 863 Rn. 15 = WRP 2006, 1233 - ex works; Urteil vom 15. Februar 2007 - I ZR 63/04, GRUR 2007, 882 Rn. 14 = WRP 2007, 1197 - Parfümtester; Urteil vom 3. Februar 2011 - I ZR 26/10, GRUR 2011, 820 Rn. 16 = WRP 2011, 1180 - Kuchenbesteck-Set; Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20, GRUR 2021, 971 Rn. 45 = WRP 2021, 904 - myboshi)) Ist das Recht aus der Marke erschöpft, kann der Markeninhaber den weiteren Vertrieb weder steuern noch verbieten.((BGH, Urt. v. 15. Februar 2007 - I ZR 63/04 - Parfümtester; m.V.a. EuGH, Urt. v. 1.7.1999 - C-173/98, Slg. 1999, I-4103 = GRUR Int. 1999, 870 Tz. 20 = WRP 1999, 803 - Sebago; BGH, Urt. v. 3.11.2005 - I ZR 29/03, GRUR 2006, 329 = WRP 2006, 470 - Gewinnfahrzeug mit Fremdemblem; hierzu bereits zum Gesetz zum Schutze der Warenbezeichnungen: RGZ 50, 229, 231 - Kölnisch Wasser)) Die Regelung der Erschöpfung hat den Zweck, die Belange des Markenschutzes mit denen des [[..Freier Waren- und Dienstleistungsverkehr|freien Warenverkehrs]] in Einklang zu bringen.((BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 55/20 - Hyundai-Grauimport; BGH, Urt. v. 15. Februar 2007 - I ZR 63/04 - Parfümtester; m.V.a. EuGH, Urt. v. 11.7.1996 - C-427/93, C-429/93 und C-436/93, Slg. 1996, I-3545 = GRUR Int. 1996, 1144 Tz. 40, 42 = WRP 1996, 880 - Bristol-Myers Squibb/Paranova, Boehringer)) Dieser Wert besteht auch darin, dass der Markeninhaber seine Waren auf verschiedenen Märkten unter verschiedenen Konditionen absetzen kann.((BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 55/20 - Hyundai-Grauimport; m.V.a. OLG Stuttgart, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 2 U 80/97, OLGR 1998, 108, juris Rn. 59)) Die Begriffe des Inverkehrbringens [-> [[Inverkehrbringen der Markenware]]] und der Zustimmung [-> [[Zustimmung des Markeninhabers zum Inverkehrbringen der Markenware]]] sind damit in § 24 Abs. 1 MarkenG ebenso wie in Art. 13 Abs. 1 GMV und Art. 15 Abs. 1 UMV unionsrechtlich determiniert und autonom auszulegen.((BGH, Urteil vom 25. März 2021 - I ZR 37/20 - myboshi; m.V.a. EuGH, Urteil vom 20. November 2001 - C-414/99 bis C-416/99, Slg. 2001, I-8691 = GRUR 2002, 156 Rn. 43 - Zino Davidoff und Levi Strauss [Cool Water]; zur insoweit einheitlichen Auslegung der Richtlinie 2008/95/EG und der UMV vgl. EuGH, Urteil vom 3. Juni 2010 - C-127/09, Slg. 2010, I-4967 = GRUR 2010, 723 Rn. 46 - Coty Prestige [Davidoff])) Die Erschöpfung tritt vorbehaltlich § 24 Abs. 2 MarkenG hinsichtlich aller Handlungen ein, die nach § 14 Abs. 3 und 4 MarkenG eine Verletzung der Marke darstellen können [-> [[Umfang der Erschöpfung]]].((BGH, Urteil vom 25. Juli 2019 - I ZR 29/18 - ORTLIEB II)) § 24 Abs. 1 MarkenG sieht nunmehr eine EU-weite Erschöpfung vor [-> [[Territoriale Reichweite der Erschöpfung]]].((vgl. dazu BGHZ 131, 308, 312 ff. - GRUR 1996, 271 - Gefärbte Jeans)) Für die Voraussetzungen der Erschöpfung ist in einem Fall, in dem es nicht um die Abschottung von nationalen Märkten mit dem Zweck der Begünstigung von Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten geht, der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.((BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 - I ZR 55/20 - Hyundai-Grauimport; m.V.a. EuGH, GRUR 2002, 156 Rn. 54 - Zino Davidoff und Levi Strauss [Coll Water]; EuGH, Urteil vom 8. April 2003 - C-244/00, Slg. 2003, I-3051 = GRUR 2003, 512 Rn. 41 - Van Doren + Q; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - I ZR 193/97, GRUR 2004, 156, 157 f. [juris Rn. 22, 25] = WRP 2004, 243 - stüssy II; Urteil vom 15. März 2012 - I ZR 52/10, GRUR 2012, 626 Rn. 30 = WRP 2012, 819 - Converse I; Urteil vom 15. Oktober 2020 - I ZR 147/18, GRUR 2020, 1306 Rn. 36 = WRP 2021, 50 - Querlieferungen; Thiering in Ströbele/Hacker/Thiering aaO § 24 Rn. 52; Ingerl/Rohnke aaO § 24 Rn. 88, 90)) ===== Literatur ===== * Rolf Sack, "Der Erschöpfungsgrundsatz im deutschen Immaterialgüterrecht", GRUR int 2000, 610 ===== siehe auch ==== §§ 20 - 26 MarkenG -> [[Schranken des Schutzes]] \\ Artikel 13 (1) GMV -> [[.GM:Erschöpfung des Rechts aus der Gemeinschaftsmarke]]