====== Wesentlichkeitstheorie ====== Ausgehend von der Ansicht, der Staat dürfe in Grundrechte des Bürgers, insbesondere in dessen Freiheit und Eigentum, nur auf Grund eines Gesetzes eingreifen, hat das Bundesverfassungsgericht den Vorbehalt des Gesetzes anhand der sogenannten Wesentlichkeitstheorie fortentwickelt. Danach muss der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen des Verhältnisses zwischen Staat und Bürgern, vor allem im Bereich der Ausübung konkurrierender Grundrechte, alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen.((BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14 - Störerhaftung des Access-Providers; m.w.N.)). Die Bestimmung dessen, was jenseits der klassischen Eingriffslage "wesentlich" ist, unterliegt erheblichen Schwierigkeiten.((BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14 - Störerhaftung des Access-Providers; m.V.a. vgl. Ossenbühl, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., Bd. 5, § 101 Rn. 56)) Festzuhalten ist jedoch, dass die Wesentlichkeitstheorie nur für das Verhältnis zwischen Staat und Bürgern und nicht zwischen gleichgeordneten Grundrechtsträgern gilt.((BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14 - Störerhaftung des Access-Providers; m.w.N.)) Mit dem Kriterium der Wesentlichkeit kann beurteilt werden, ob die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Gebote der Demokratie und des Rechtsstaats der Delegation von Rechtssetzung vom Parlament auf die Exekutive entgegenstehen. Bei einer Kollision gegenläufiger Grundrechte gleichgeordneter Rechtsträger stellt sich eine solche Kompetenzfrage nicht, weil der Staat in einen solchen Konflikt über die Gerichte lediglich als Vermittler eingebunden ist, der nicht die Zulässigkeit eines hoheitlichen Grundrechtseingriffs prüft, sondern die betroffenen Belange gegeneinander abwägt.((BGH, Urteil vom 26. November 2015 - I ZR 174/14 - Störerhaftung des Access-Providers; m.V.a. Jachmann, JA 1994, 399, 400 f.; Durner, ZUM 2010, 833, 835)) ===== siehe auch ===== -> [[Grundrecht]]