====== Nichtigkeit einer Rechtsverordnung ====== Eine rechtswidrige und damit nichtige [[Rechtsverordnung]] entfaltet keine Legitimationswirkung. Grundsätzlich ist eine mit [[höherrangiges Recht|höherrangigem Recht]] unvereinbare Rechtsverordnung nichtig.((vgl. BeckOK.GG/Uhle, 54. Edition [Stand 15. Februar 2023], Art. 80 Rn. 36; Brenner in Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl., Art. 80 Rn. 82)) Die [[Gericht|Gerichte]] haben Rechtsverordnungen darauf zu überprüfen, ob sie gegen [[höherrangiges Recht]] verstoßen.((vgl. BVerfGE 48, 40 [juris Rn. 16]; BGH, Beschluss vom 29. Juli 2021 - I ZR 135/20, GRUR 2021, 1320 [juris Rn. 50] = WRP 2021, 1290 - Flaschenpfand III, mwN)) Die Nichtigkeit einer Rechtsverordnung können die Fachgerichte selbst feststellen, weil insoweit kein Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht.((st. Rspr.; vgl. BVerfGE 1, 184, 195 [juris Rn. 39 bis 53]; BVerfGE 68, 319 [juris Rn. 18 und 20]; BVerfGE 114, 303 [juris Rn. 35])) Die Rechtmäßigkeit einer [[Rechtsverordnung]] ist zunächst an spezifischen verfassungsrechtlichen Rechtmäßigkeitsvorgaben zu messen.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; m.V.a. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 70. Ergänzungslieferung Dezember 2013, Art. 80 Rn. 121)) Nach dem für eine rheinland-pfälzische Landesverordnung geltenden Art. 110 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz (nachfolgend: LV RP), der insoweit dem Art. 80 Abs. 1 GG entspricht, kann die Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung nur durch Gesetz erteilt werden (Satz 1), muss das Gesetz Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen (Satz 2) und ist in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben (Satz 3). Diesem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist genügt, wenn sich der Verordnungsermächtigung im Wege der verfassungskonformen Auslegung eine ausreichende gesetzgeberische Programmentscheidung entnehmen lässt.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; zu Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vgl. BVerfG, NJW 2019, 3054 [juris Rn. 110]; BeckOK.GG/Uhle, 55. Edition [Stand 15. Mai 2023], Art. 80 Rn. 24)) Weiter ist die Vereinbarkeit der Rechtsverordnung mit sonstigem [[höherrangiges Recht|höherrangigem Recht]], insbesondere den [[Grundrecht|Grundrechten]], zu prüfen.((vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; m.w.N.)) Allerdings ist anerkannt, dass der Fortfall der Ermächtigungsgrundlage im Sinne des Art. 80 Abs. 1 GG nicht zum Erlöschen der auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnung führt (vgl. BVerfGE 9, 3 [juris Rn. 32]; BVerfGE 14, 245 [juris Rn. 16]; BVerfGE 44, 216 [juris Rn. 26]). Das Grundgesetz normiert in Art. 80 GG Anforderungen an den Erlass von Rechtsverordnungen, ohne in dieser Vorschrift Festlegungen für die Zeit danach zu treffen.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; m.V.a. Remmert in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, 70. Ergänzungslieferung, Dezember 2013,Art. 80 Rn. 53 f.)) Hiervon nicht berührt wird allerdings die Frage, inwiefern nachträgliche tatsächliche Veränderungen die Annahme rechtfertigen können, dass eine Rechtsverordnung nicht mehr im Einklang mit sonstigem höherrangigem Recht, insbesondere dem Verfassungsrecht, steht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass eine ursprünglich verfassungsgemäße gesetzliche Regelung wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände verfassungswidrig werden kann.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; m.V.a. BVerfGE 59, 336 [juris Rn. 53]; vgl. auch BVerfGE 39, 169 [juris Rn. 72 und 89 f.], BVerfGE 41, 360 [juris Rn. 49], BVerfGE 54, 11 [juris Rn. 66 und 69] und BVerfGE 56, 54 [juris Rn. 62 und 66])) Dieser für formelle Gesetze geltende Grundsatz hat entsprechend für eine durch Rechtsverordnung getroffene Regelung zu gelten.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet)) Mit Blick auf das in einer Ermächtigungsgrundlage für eine Rechtsverordnung vorgesehene Regelungsermessen des Normgebers kommt allerdings die Nichtigkeit infolge einer nach Erlass der Rechtsverordnung eingetretenen Veränderung maßgeblicher Umstände nur in Betracht, wenn der Normgeber eine Änderung oder Aufhebung der Rechtsverordnung unterlassen hat, obwohl aufgrund der geänderten Situation sein Ermessen zu einem solchen Tätigwerden auf Null reduziert ist.((BGH, Urteil vom 27. Juli 2023 - I ZR 144/22 - Zweibrücken Fashion Outlet; zur Frage der nachträglichen Rechtswidrigkeit einer Rechtsverordnung über Schulsprengel vgl. BayVGH, BayVBl 1994, 694 [juris Rn. 23] und BayVGH, Urteil vom 25. März 1998 - 7 N 96.187, juris Rn. 27; zur Nichtigerklärung einer Bebauungsplansatzung gemäß § 47 VwGO wegen nachträglichen Funktionsverlusts vgl. BVerwGE 108, 71 [juris Rn. 13 und 22] und OVG Berlin, UPR 1992, 357 [juris Rn. 35]; vgl. ferner Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 30. Ergänzungslieferung Februar 2016, § 47 VwGO Rn. 111; Unruh in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 47 Rn. 108)) ===== siehe auch ===== -> [[Rechtsverordnung]]