====== Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG) ====== Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hat in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt.((vgl. Art. 4 der Richtlinie; EuGH, Urteil vom 14. Januar 2010 - C-304/08, Slg. 2010, I-254 = GRUR 2010, 244 Rn. 41 = WRP 2010, 232 - Zentrale/Plus Warenhandelsgesellschaft)). Sie regelt abschließend, welche Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern als unlauter anzusehen und deswegen unzulässig sind.((BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - I ZR 2/11 - GOOD NEWS; m.V.a. EuGH, Urteil vom 23. April 2009 - C-261/07 und C-299/07, Slg. 2009, I-2949 = GRUR 2009, 599 Rn. 51 = WRP 2009, 722 - VTB/Total Belgium und Galatea/Sanoma)) Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken kann ein Verstoß gegen eine nationale Marktverhaltensregel die Unlauterkeit nach § 4 Nr. 11 UWG allerdings nur begründen, wenn diese nationale Bestimmung eine unionsrechtliche Grundlage hat.((BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - I ZR 158/14 - Der Zauber des Nordens; m.V.a. BGH, GRUR 2010, 652 Rn. 11 - Costa del Sol; BGH, Urteil vom 22. März 2012 - I ZR 111/11, GRUR 2012, 1159 Rn. 9 = WRP 2012, 1384 - Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot; Beschluss vom 18. September 2014 - I ZR 201/12, GRUR 2014, 1208 Rn. 11 = WRP 2014, 1444 - Preis zuzüglich Überführung)) Die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern sind mit der Richtlinie 2005/29/EG auf Unionsebene vollständig harmonisiert worden. Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen (Art. 4 der Richtlinie), und zwar auch nicht zur Erreichung eines höheren Verbraucherschutzniveaus.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 41 - Plus; BGH, GRUR 2008, 807 Rn. 17 - Millionen-Chance I)) Artikel 1 -> [[Zweck der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Harmonisiert Vorschriften über unlautere Geschäftspraktiken und schützt die Verbraucher. Artikel 2 -> [[Definitionen in der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Definiert wichtige Begriffe wie Verbraucher, Gewerbetreibender und unlautere Geschäftspraktiken. Artikel 3 -> [[Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Regelt unlautere Geschäftspraktiken vor, während und nach einem Handelsgeschäft. Artikel 4 -> [[Binnenmarkt]] \\ Verhindert, dass die Mitgliedstaaten den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr aufgrund unlauterer Geschäftspraktiken behindern. Artikel 5 -> [[Verbot unlauterer Geschäftspraktiken]] \\ Verbietet unlautere Geschäftspraktiken, die gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen oder den Verbraucher täuschen. Artikel 6 -> [[Irreführende Handlungen]] \\ Verbietet Geschäftspraktiken, die falsche oder irreführende Informationen geben. Artikel 7 -> [[Irreführende Unterlassungen]] \\ Untersagt Geschäftspraktiken, die wichtige Informationen zurückhalten. Artikel 8 -> [[Aggressive Geschäftspraktiken]] \\ Verbietet Geschäftspraktiken, die den Verbraucher durch Belästigung oder Nötigung unter Druck setzen. Artikel 9 -> [[Belästigung, Nötigung und unzulässige Beeinflussung]] \\ Beschreibt die Arten von Belästigung und Nötigung, die als aggressive Geschäftspraktiken gelten. Artikel 10 -> [[Verhaltenskodizes]] \\ Ermöglicht Verhaltenskodizes zur Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken, die jedoch keine gerichtlichen Verfahren ersetzen. Artikel 11 -> [[Durchsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Verpflichtet die Mitgliedstaaten, wirksame Mittel zur Durchsetzung der Richtlinie bereitzustellen. Artikel 12 -> [[Gerichte und Verwaltungsbehörden - Begründung von Behauptungen|Gerichte und Verwaltungsbehörden: Begründung von Behauptungen]] \\ Gibt Gerichten und Behörden die Befugnis, Gewerbetreibende zur Beweisführung bei Tatsachenbehauptungen zu verpflichten. Artikel 13 -> [[Sanktionen Richtlinie der über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Verpflichtet die Mitgliedstaaten, wirksame und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie festzulegen. Artikel 14 -> [[Änderung der Richtlinie 84/450/EWG]] \\ Passt die Richtlinie 84/450/EWG im Bereich irreführende und vergleichende Werbung an. Artikel 15 -> [[Änderung der Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG]] \\ Ändert die Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG im Hinblick auf unbestellte Waren und Dienstleistungen. Artikel 16 -> [[Änderung der Richtlinie 98/27/EG und der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004]] \\ Ändert die Richtlinie 98/27/EG und die Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 zur Regelung unlauterer Geschäftspraktiken. Artikel 17 -> [[Information]] \\ Verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Verbraucher über die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu informieren. Artikel 18 -> [[Änderung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Verpflichtet die Kommission, die Richtlinie zu überprüfen und gegebenenfalls Änderungen vorzuschlagen. Artikel 19 -> [[Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Richtlinie bis zum 12. Juni 2007 in nationales Recht umzusetzen. Artikel 20 -> [[Inkrafttreten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Lässt die Richtlinie am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Artikel 21 -> [[Adressaten der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken]] \\ Richtet die Richtlinie an die Mitgliedstaaten. ==== Anhang I: erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken ==== Darüber hinaus stellt die Richtlinie in ihrem Anhang I eine erschöpfende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die gemäß Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie "unter allen Umständen" als unlauter anzusehen sind. Nur diese Geschäftspraktiken können ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken als unlauter gelten.((BGH, Urteil vom 5. Oktober 2010 - I ZR 4/06 - Millionen-Chance II; m.V.a. EuGH, GRUR 2010, 244 Rn. 44 f. - Plus)) Anhang I, Nr. 1 -> [[Unwahre Angabe der Zugehörigkeit zu einem Verhaltenskodex]] \\ Ein Unternehmen gibt fälschlicherweise an, einem Verhaltenskodex anzugehören. Anhang I, Nr. 2 -> [[Verwendung von Gütezeichen ohne Genehmigung]] \\ Ein Unternehmer verwendet ein Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen ohne die erforderliche Erlaubnis. Anhang I, Nr. 3 -> [[Unwahre Angabe über die Billigung eines Verhaltenskodex]] \\ Es wird fälschlicherweise behauptet, ein Verhaltenskodex sei von einer Stelle gebilligt worden. Anhang I, Nr. 4 -> [[Unwahre Angabe über Bestätigung, Billigung oder Genehmigung durch eine Stelle]] \\ Eine Ware, Dienstleistung oder Handlung wird fälschlicherweise als von einer Stelle genehmigt dargestellt. Anhang I, Nr. 5 -> [[Unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung]] \\ Es wird nicht hinreichend informiert, dass eine beworbene Ware nur unzureichend verfügbar ist. Anhang I, Nr. 6 -> [[Lockangebote mit unzureichender Bevorratung und verweigerter Lieferung]] \\ Ein Unternehmen bewirbt eine Ware, zeigt sie aber nicht oder nimmt Bestellungen nicht an. Anhang I, Nr. 7 -> [[Unwahre Angabe über begrenzte Verfügbarkeit von Waren oder Dienstleistungen]] \\ Es wird ein falscher Eindruck über eine zeitlich begrenzte Verfügbarkeit erweckt, um zum schnellen Kauf zu drängen. Anhang I, Nr. 8 -> [[Kundendienstleistungen in einer anderen als der Geschäftssprache]] \\ Der Kundendienst wird in einer anderen Sprache als der verhandelten Sprache angeboten, ohne dies vorher anzugeben. Anhang I, Nr. 9 -> [[Unzutreffender Eindruck der Verkehrsfähigkeit von Waren oder Dienstleistungen]] \\ Es wird fälschlicherweise behauptet, eine Ware oder Dienstleistung sei verkehrsfähig. Anhang I, Nr. 10 -> [[Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar]] \\ Der Eindruck wird erweckt, dass gesetzlich vorgeschriebene Rechte eine Besonderheit des Angebots seien. Anhang I, Nr. 11 -> [[Verbot als Information getarnter Werbung]] \\ Werbung wird als neutrale Information getarnt, um die Kunden zu täuschen. Anhang I, Nr. 12 -> [[Unwahre Angaben über Gefahren für die persönliche Sicherheit]] \\ Es wird fälschlicherweise behauptet, der Verzicht auf den Kauf berge eine Gefahr für die persönliche Sicherheit. Anhang I, Nr. 13 -> [[Verbot der Täuschung über betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung]] \\ Der Ursprung oder die Herkunft der Ware oder Dienstleistung wird irreführend dargestellt. Anhang I, Nr. 14 -> [[Förderung von Schneeball- oder Pyramidensystemen]] \\ Ein System wird beworben, bei dem der Verdienst hauptsächlich durch die Rekrutierung weiterer Teilnehmer entsteht. Anhang I, Nr. 15 -> [[Unwahre Angabe über Geschäftsaufgabe oder Standortverlegung]] \\ Es wird fälschlicherweise behauptet, das Unternehmen werde bald schließen oder umziehen. Anhang I, Nr. 16 -> [[Unzutreffende Angabe über Gewinnchancen bei Glücksspielen durch bestimmte Waren]] \\ Es wird behauptet, der Kauf einer Ware erhöhe die Chancen bei einem Glücksspiel. Anhang I, Nr. 17 -> [[Unwahre Angabe über das Gewinnen von Preisen oder Vorteilen]] \\ Ein Preis wird versprochen, obwohl es diesen nicht gibt, oder er ist an eine Zahlung geknüpft. Anhang I, Nr. 18 -> [[Unwahre Angabe über Heilwirkungen von Waren oder Dienstleistungen]] \\ Eine Ware oder Dienstleistung wird fälschlicherweise als heilend beworben. Anhang I, Nr. 19 -> [[Unwahre Angabe über Marktbedingungen oder Bezugsquellen]] \\ Es wird eine falsche Darstellung der Marktbedingungen gegeben, um den Verbraucher zu benachteiligen. Anhang I, Nr. 20 -> [[Verbot von Wettbewerben ohne tatsächliche Preisvergabe]] \\ Wettbewerbe werden angeboten, ohne dass die versprochenen Preise vergeben werden. Anhang I, Nr. 21 -> [[Unzutreffende Angaben über kostenlose Angebote]] \\ Es wird behauptet, ein Angebot sei kostenlos, obwohl versteckte Kosten anfallen. Anhang I, Nr. 22 -> [[Unzutreffende Zahlungsaufforderungen für unbestellte Waren oder Dienstleistungen]] \\ Es wird der Eindruck erweckt, eine nicht bestellte Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt. Anhang I, Nr. 23 -> [[Unzutreffender Eindruck der Verbrauchereigenschaft des Unternehmers]] \\ Es wird fälschlicherweise der Eindruck erweckt, der Unternehmer sei ein Verbraucher. Anhang I, Nr. 24 -> [[Unzutreffender Eindruck über Kundendienstverfügbarkeit in der EU]] \\ Der Eindruck wird erweckt, dass ein Kundendienst in einem anderen EU-Land verfügbar ist, obwohl dies nicht der Fall ist. Anhang I, Nr. 25 -> [[Erwecken des Eindrucks, den Raum ohne Vertragsabschluss nicht verlassen zu können]] \\ Es wird der Eindruck vermittelt, dass der Verbraucher den Raum nicht ohne Abschluss eines Vertrags verlassen kann. Anhang I, Nr. 26 -> [[Nichtbeachtung einer Aufforderung zum Verlassen der Wohnung bei persönlichen Besuchen]] \\ Trotz Aufforderung verlässt der Unternehmer die Wohnung nicht oder kehrt zurück, ohne dass dies rechtlich gerechtfertigt ist. Anhang I, Nr. 27 -> [[Verhinderung der Durchsetzung von Rechten aus einem Versicherungsvertrag]] \\ Der Verbraucher wird daran gehindert, seine vertraglichen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis durchzusetzen. Anhang I, Nr. 28 -> [[Kauffaufforderungen an Kinder]] \\ Kinder werden direkt aufgefordert, Produkte zu kaufen oder ihre Eltern zum Kauf zu überreden. Anhang I, Nr. 29 -> [[Nicht bestellte Waren oder Dienstleistungen]] \\ Waren oder Dienstleistungen werden ohne Bestellung geliefert, um die Bezahlung zu erzwingen. Anhang I, Nr. 30 -> [[Angabe über Gefährdung des Arbeitsplatzes oder Lebensunterhalts bei Nichtabnahme der Ware]] \\ Es wird behauptet, der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers sei gefährdet, wenn der Verbraucher das Produkt nicht kauft. Anhang I, Nr. 31 -> [[Förderung oder Bewerbung eines Produkts mit falschen Behauptungen über seine Heilungsfähigkeit]] \\ Es wird fälschlicherweise behauptet, ein Produkt habe die Fähigkeit, Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen zu heilen, obwohl es dafür keine Beweise gibt. ===== siehe auch ===== -> [[Sekundärrecht der Europäischen Union]] \\ Umfasst die von den EU-Institutionen erlassenen Rechtsakte wie Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse, die auf Grundlage des Primärrechts (Verträge) erlassen werden und in den Mitgliedstaaten verbindlich sind.