====== Nicht patentierbare Erfindungen ====== Artikel 52 (2) des [[Europäisches Patentübereinkommen|Europäischen Patentübereinkommens]] (EPÜ) listet Gegenstände auf, die nicht als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 angesehen werden. Der zweite Absatz von Artikel 52 EPÜ ist nichts weiter als eine nicht erschöpfende Negativliste dessen, was nicht als [[Erfindung]] im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ anzusehen ist.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04)) Die Auslegung der nicht erschöpfenden Liste ist allerdings durch Artikel 52 (3) auf die besagten [[Gegenstände oder Tätigkeiten als solche]] beschränkt.((EPA ABl 11/2007, 595)) **Artikel 52 (2) EPÜ 2000** Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen: a) [[Entdeckungen]], [[wissenschaftliche Theorien]] und [[mathematische Methoden]]; b) [[ästhetische Formschöpfungen]]; c) Pläne, Regeln und Verfahren für [[gedankliche Tätigkeiten]], für [[Spiele]] oder für [[Geschäftsverfahren|geschäftliche Tätigkeiten]] sowie [[Programme für Datenverarbeitungsanlagen]]; d) die [[Wiedergabe von Informationen]]. 2.1. Einleitung "Europäische Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind." In Art. 52 (1) EPÜ wird der Grundsatz des allgemeinen Anspruchs auf Patentschutz für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik statuiert. Beschränkungen des allgemeinen Anspruchs auf Patentschutz liegen daher nicht im richterlichen Ermessen, sondern müsse eine klare Rechtsgrundlage im EPÜ haben (s. T 154/04, ABl. 2008, 46; s. auch G 2/12, ABl. 2016, A28). Art. 52 (2) EPÜ zählt eine Reihe von Gegenständen oder Tätigkeiten auf, die nicht als Erfindungen im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ angesehen werden. Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen: a) Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden; b) ästhetische Formschöpfungen; c) Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen; d) die Wiedergabe von Informationen. Der Begriff "Erfindung" ist zu verstehen als "Gegenstand mit technischem Charakter" (T 931/95, ABl. 2001, 441; T 619/02, ABl. 2007, 63; T 258/03, ABl. 2004, 575). In T 930/05 erklärte die Kammer, dass allein schon die Tatsache, dass die Liste der nicht als Erfindungen anzusehenden Gegenstände in Art. 52 (2) EPÜ 1973 nicht erschöpfend formuliert ist ("insbesondere"), auf die Existenz eines Ausschlusskriteriums hinweist, das allen diesen Dingen gemeinsam ist und eine denkbare Erweiterung der Liste erlaubt. Die Aufzählung typischer Nichterfindungen in Art. 52 (2) EPÜ 1973 umfasste Tatbestände, deren gemeinsames Merkmal der fehlende technische Charakter war. Der auf Art. 52 (1) EPÜ 1973 Bezug nehmende Ausnahmenkatalog des Art. 52 (2) EPÜ 1973 ist als Negativdefinition des Erfindungsbegriffs aufzufassen. Die Feststellung, dass es sich bei dem beanspruchten Gegenstand um eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 handelt, ist im Prinzip eine Voraussetzung für die Prüfung auf Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit, da diese Erfordernisse nur für Erfindungen definiert sind (vgl. Art. 54 (1), 56 und 57 EPÜ 1973) (s. T 258/03, ABl. 2004, 575 ; s. auch T 154/04, ABl. 2008, 46). Die Aufzählung typischer Nichterfindungen in Art. 52 (2) EPÜ 1973 ist nichts weiter als eine nicht erschöpfende Negativliste dessen, was nicht als Erfindung im Sinne von Art. 52 (1) EPÜ 1973 anzusehen ist.((T 154/04 (ABl. 2008, 46))) Es war erklärte Absicht der Vertragsstaaten, dieser Liste der "ausgeschlossenen" Gegenstände keinen allzu weiten Anwendungsbereich zu geben.((T 154/04 (ABl. 2008, 46) )) Nach Art. 52 (3) EPÜ steht Absatz 2 der Patentierbarkeit der dort genannten Gegenstände oder Tätigkeiten nur insoweit entgegen, als sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf diese Gegenstände oder Tätigkeiten als solche bezieht. Der Liste der "ausgeschlossenen" Gegenstände ist kein allzu weiter Anwendungsbereich zu geben. Art. 52 (3) EPÜ beugt einer breiten Auslegung von Art. 52 (2) EPÜ vor.((G 2/12 und G 2/13, ABl. 2016, A28 und A29; T 154/04)) Die Anwendung von Art. 52 (1) EPÜ wirft ein Auslegungsproblem auf, denn bei Abschluss des Übereinkommens im Jahr 1973 gab es keine gesetzliche oder allgemein anerkannte Definition des Begriffs der "Erfindung". Das EPA hat eine solche explizite Definition auch in der Zwischenzeit nicht entwickelt. Art. 52 (2) EPÜ ist nichts weiter als eine nicht erschöpfende Negativliste dessen, was nicht als Erfindung im Sinne von Art. 52 (1) EPÜ anzusehen ist. Es war die erklärte Absicht der Vertragsstaaten, dieser Liste der "ausgeschlossenen" Gegenstände keinen allzu weiten Anwendungsbereich zu geben, wie die Entstehungsgeschichte von Art. 52 (2) EPÜ zeigt. Art. 52 (3) EPÜ beugt einer breiten Auslegung von Art. 52 (2) EPÜ vor.((Rechtsprechung der Beschwerdekammern, I.A.1.1; m.V.a. T 154/04, Nr. 6 der Gründe; s. auch G 2/12, ABl. 2016, A28)) Da eine Erfindung [[Technischer Charakter|technischen Charakter]] aufweisen muss, geht man in der Regel davon aus, dass nur Gegenstände und Tätigkeiten, die rein abstrakte Konzepte ohne jeglichen technischen Bezug darstellen, Nichterfindungen im Sinne des Artikels 52 EPÜ sind.((T 258/03, ABl. EPA 2004, 575)) Eine Einschränkung des generellen Anspruchs auf Patentschutz ist keine Frage des richterlichen Ermessens, sondern bedarf einer eindeutigen Rechtsgrundlage im Europäischen Patentübereinkommen.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04)) Art. 53 EPÜ nennt weitere [[Ausnahmen von der Patentierbarkeit]], denen zwar nicht generell der Charakter einer Erfindung abgesprochen wird, die aber aus besonderen Gründung einem Patentierungsverbot unterliegen. ==== Abkehr vom "Beitragsansatz" ==== Der Beitragsansatz [-> [[Technischer Beitrag]]] spielt nur bei der Frage der [[erfinderische Tätigkeit|erfinderischen Tätigkeit]] eine Rolle. Er wird bei der Beurteilung des Patentierungsausschlusses nach Artikel 52 (2) EPÜ __nicht__ angewendet! -> [[Analogie zur Erläuterung des Beitragsansatzes]] \\ -> [[Abkehr vom Beitragsansatz beim Patentierungsausschluss]] ==== Zusammenhang mit den weiteren Patentierungsvoraussetzungen ==== Es spricht nichts dagegen, vor jedweder Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zunächst zu beurteilen, inwieweit das beanspruchte Verfahren vom Patentschutz ausgeschlossen ist.((Entscheidung vom 22. März 2006 T 388/04)) Die Frage, in welchem Umfang Gegenstände oder Tätigkeiten nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen sind, unterscheidet sich gedanklich von der Frage nach der [[erfinderische Tätigkeit|erfinderischen Tätigkeit]] und kann unabhängig von dieser betrachtet werden.((EPA, Entscheidung vom 22. 3. 2006 – T 388/04 – 3.5.2.)) Gegenstände oder Tätigkeiten, die als solche unter das Patentierungsverbot von Artikel 52 (2) EPÜ fallen, können keinen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten.((Entscheidung vom 22. März 2006 T 388/04)) ==== Ausschluß im Wesentlichen abstrakter Gegenstände ==== Schon die Tatsache, dass die Liste der nicht als Erfindungen anzusehenden Gegenstände in Artikel 52 (2) EPÜ nicht erschöpfend formuliert ist ("insbesondere"), weist auf die Existenz eines Ausschlusskriteriums hin, das allen diesen Dingen gemeinsam ist und eine denkbare Erweiterung der Liste erlaubt. Die Aufzählung typischer Nichterfindungen in Artikel 52 (2) EPÜ umfasst Tatbestände, die als gemeinsames Merkmal den fehlenden [[technischer Charakter|technischen Charakter]] erkennen lassen.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04)) Da die Aufzählung der Ausnahmen von der Patentierbarkeit in Art. 52 (2) EPÜ i. V. m. Art. 52 (3) EPÜ wegen des Zusatzes "insbesondere" nicht erschöpfend ist, gilt der Ausschluss generell für Sachverhalte, die im Wesentlichen abstrakt, also nicht gegenständlich und deshalb nicht durch technische Merkmale im Sinne der R. 29 (1) EPÜ gekennzeichnet sind.((T 163/85 (ABl. 1990, 379) )) Gegenstände oder Tätigkeiten können auch dann nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen werden, wenn sie einen praktischen Nutzen haben.((EPA, Entscheidung vom 22. 3. 2006 – T 388/04 – 3.5.2.)) ===== siehe auch ===== Artikel 52 EPÜ -> [[Patentierbare Erfindungen]] \\ Beschreibt die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit von Erfindungen.