====== Definition der erfinderischen Tätigkeit ====== Artikel 56 (1) EPÜ des [[Europäisches Patentübereinkommen|Europäischen Patentübereinkommens]] (EPÜ) erklärt, dass eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. **Artikel 56 (1) EPÜ** Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Europäische Patente werden nach Artikel 52 (1) EPÜ [-> [[Patentierbare Erfindungen]]] für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Neuheit und erfinderische Tätigkeit können nur anhand der [[Technischer Charakter|technischen Merkmale]] der Erfindung festgestellt werden.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04)) Bei der Beurteilung, ob ein Gegenstand [[Erfinderische Tätigkeit|erfinderisch]] ist, kommt es darauf an, welchen __technischen Beitrag__ er zum Stand der Technik leistet.((T 931/95, ABl. EPA 2001, 441)) Rein nicht technische Aspekte, die nichts zum [[technischer Charakter|technischen Charakter]] beitragen, sind für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant.((siehe T 37/82, ABl. EPA 1984, 71; T 294/89, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, und T 641/00, ABl. EPA 2003, 352)) Nichttechnische Merkmale können beispielsweise nur zur Lösung einer nicht technischen Aufgabe beitragen, etwa im Bereich der Betriebswirtschaft.((ABl EPA 2007, 599)) Aus der Unterscheidung zwischen technischen und nichttechnischen Merkmalen folgt, dass die nichttechnischen Merkmale insoweit, als sie mit den technischen Merkmalen nicht so zusammenwirken, dass eine technische Wirkung entsteht, weder Neuheit noch erfinderische Tätigkeit begründen können.((Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.01 vom 15. November 2006 T 154/04: m.V.a. die Entscheidungen unter I.D.8.4 in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 5. Auflage Dezember 2006, Europäisches Patentamt 2006)) In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann be-achtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden techni-schen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleu-ten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwen-dung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.((BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10 - Farbversorgungssystem; m.V.a. BGH, Beschluss vom 20. De-zember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 = BlPMZ 2012, 260 Instal-liereinrichtung II)) Es ist zwar unzulässig, nicht zueinander in Beziehung stehende oder einander widersprechende Dokumente mosaikartig zu kombinieren, um die erfinderische Tätigkeit zu verneinen; es ist jedoch erlaubt, verschiedene Veröffentlichungen und Kenntnisse zusammen zu betrachten, um ein Vorurteil oder eine von der Erfindung wegweisende allgemeine Tendenz in der Technik zu belegen.((T 0002/81 of 1.7.1982 - Methylene-bis-(phenylisocyanat))) Gibt es mehrere Dokumente des Stands der Technik, von denen jede als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit infrage kommt, so ist die erfinderische Tätigkeit nach ständiger Rechtsprechung gegenüber all diesen Dokumenten zu prüfen, bevor eine die erfinderische Tätigkeit bestätigende Entscheidung getroffen wird.((siehe T 967/97, Nr. 3.2 der Gründe; T 308/09, Nr. 1.4.1 der Gründe)) Ob für das Beschreiten eines Lösungswegs eine angemessene Erfolgserwartung besteht, ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Fachgebiets, der Größe des Anreizes für den Fachmann, des erforderlichen Aufwands für das Beschreiten und Verfolgen eines bestimmten Ansatzes und der gegebenenfalls in Betracht kommenden Alternativen sowie ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile zu bestimmen.((BGH, Urteil vom 7. Juli 2020 - X ZR 150/18 - Pemetrexed II; Bestätigung von BGH, Urteil vom 16. April 2019 - X ZR 59/17, GRUR 2019, 1032 - Fulvestrant)) Siehe hierzu Entscheidungen/Stellungnahmen der Großen Beschwerdekammer G 3/98, G 2/98, G 2/99, G 1/03, G 2/03 Artikel 52-57 EPÜ -> [[Patentierbarkeit]] \\ Ausgehend von einer Entgegenhaltung, bei der mehrere funktionell zusammenwirkende Elemente einer Vorrichtung so ausgestaltet sind, dass sie allenfalls mit hohem Aufwand einstückig ausgeführt werden können, liegt eine einstückige Ausgestaltung nicht schon deshalb nahe, weil es dem Fachmann möglich ist, Form und Ausrichtung dieser Elemente so zu ändern, dass sie problemlos als in einem Zug spritzgegossenes Bauteil hergestellt werden können.((BGH, Urteil vom 31. Januar 2023 - X ZR 19/21 - Staubsauger)) ===== siehe auch ===== Artikel 56 EPÜ -> [[Erfinderische Tätigkeit]] \\ Beschreibt die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit einer Erfindung.