====== Auskunftsanspruch und Rechnungslegungsanspruch des Arbeitnehmers ====== ==== Grundlage des Auskunftsanspruchs ==== Der Inhalt und Umfang des aus §§ 9, 12 ArbEG (oder § 14 Abs. 3 ArbEG) i. V. m. §§ 242, 259 BGB folgenden Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs bestimmt sich unter Beachtung der Grundsätze von Treu und Glauben nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsübung und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen aus dem Zweck der Rechnungslegung.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) ==== Voraussetzungen ==== Ein Auskunftsanspruch setzt als Hilfsanspruch voraus, dass ein [[Vergütungsanspruch]] dem Grunde nach überhaupt in Betracht kommt. Insoweit muss der Arbeitnehmer darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Vergütungsanspruch besteht.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II; m.V.a. BGH GRUR 1994, 898 (900) – Copolyester I; BGH GRUR 1990, 515 (516) – Marder)) ==== Umfang des Auskunftsanspruchs ==== Grundsätzlich muss die Auskunft alle Angaben enthalten, die der Arbeitnehmer benötigt, um seine Erfindervergütung berechnen sowie beurteilen zu können, ob und in welchem Umfang ihm ein Vergütungsanspruch zusteht.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) Im allgemeinen wird von einem weiten Umfang auszugehen sein. Alle für die Bemessung seiner Vergütung in Betracht zu ziehenden Tatsachen und Bewertungsfaktoren sind ihm deshalb mitzuteilen; die Kontrolle der mitgeteilten Angaben auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit muss ihm ermöglicht werden.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung; m.V.a. BGH GRUR 1998, 689 (692) - Copolyester II; BGH GRUR 1998, 684 (687); BGH GRUR 1995, 386 (288) - Vergütungsmodus bei Arbeitnehmererfindung)) Auch wenn die Angaben zu Herstellungsmengen und -zeiten letztlich nicht unmittelbar in die konkrete Berechnung nach der Methode der Lizenzanalogie einfließen sollten, so benötigt der Kläger diese Angaben jedenfalls, um die Richtigkeit der in der Rechnungslegung mitgeteilten Einzelauskünfte zu überprüfen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung; BGH GRUR 1998, 684 (688) - Spulkopf; OLG Düsseldorf , I - 2 U 105/00, Urteil vom 16. August 2001)) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Angaben zu den einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen an die einzelnen konzernangehörigen Abnehmer sowie der Mengen und Preise für die Lieferungen der konzernangehörigen Unternehmen an Dritte zu erteilen, da es sich hierbei um Angaben über Faktoren handelt, die für die Ermittlung einer angemessenen Umsatz- oder Stücklizenz von Bedeutung sind. Dies gilt auch mit Blick auf etwaige Lieferungen der ebenfalls zum A-Konzern gehörenden Schwesterunternehmen der Beklagten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass vernünftige Vertragsparteien eine geschuldete Lizenzgebühr - auch - von der Art und gegebenenfalls dem Umfang der Nutzung der Erfindung durch konzernangehörige Unternehmen abhängig machen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung; m.V.a. BGH GRUR 2002, 801 (803 f.) - Abgestuftes Getriebe; siehe auch BGH NJW-RR 2006, 1123 (1128 f.) - Haftetikette)) Der Arbeitgeber hat darüber hinaus über ihren Gewinn Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Zwar werden vernünftige Parteien bei Umsatzgeschäften des Lizenznehmers mit dem Gegenstand der Erfindung regelmäßig die als Gegenleistung zu zahlenden Lizenzgebühren typischerweise in Gestalt einer prozentualen Beteiligung an den Umsatzerlösen vereinbaren. Dies ist jedoch nicht allein ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Wert der Erfindung. Vielmehr kann gerade auch der Gewinn, den der Arbeitgeber mit der Verwertung der Erfindung zu erzielen vermag, einen Anhaltspunkt für die zutreffende Bestimmung des Lizenzsatzes geben, da er den kausalen Vorteil widerspiegelt, der von dem Lizenznehmer entgolten wird. An eben diesem geldwerten Vorteil ist der Arbeitnehmer zu beteiligen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung; m.V.a. BGH GRUR 2002, 801 (803) - Abgestuftes Getriebe; BGH GRUR 1998, 689 (692) - Copolyester II; BGH GRUR 1998, 684 (687) - Spulkopf)) Den Arbeitgeber trifft ebenso die Pflicht, Angaben zu den Gestehungs- und Vertriebskosten einschließlich der einzelnen Kostenfaktoren zu machen. Der Kläger hat die Angemessenheit des von der Beklagten genannten Lizenzsatzes in Zweifel gezogen, so dass ihm die Beklagte mittels der titulierten Auskünfte und Rechnungslegung die Möglichkeit eröffnen muss, die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erfüllung seines Vergütungsanspruchs jedenfalls stichprobenartig zu überprüfen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) Ähnliches gilt hinsichtlich der zu nennenden Namen und Anschriften der Abnehmer. Der Kläger muss die Auskünfte und Rechnungslegung der Beklagten jedenfalls mittels Stichproben kontrollieren können. Dass ihm diese Kontrollmöglichkeit auch im Zusammenhang mit anderen mitgeteilten Angaben eröffnet wird, steht einer entsprechenden Verpflichtung der Beklagten nicht entgegen. Es besteht kein Anlass, die Überprüfungsmöglichkeiten des Klägers nur für einen bestimmten Bereich zuzulassen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) Sämtliche Angaben haben aufgeschlüsselt nach Kalender- oder Geschäftsjahren sowie nach den einzelnen Produktions- und Vertriebsstätten des A-Konzerns zu erfolgen. Der Beklagten obliegt es mithin auch, die unter e) bis g) aufgeführten Angaben für die konzernangehörigen Unternehmen, welche die Erfindung nutzen, zu erteilen. Es ist nicht auszuschließen, dass der Gewinn und die Gestehungskosten der zum Konzern gehörenden Unternehmen insoweit Berücksichtigung bei der Bemessung eines angemessenen Lizenzsatzes finden würden.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) ==== Grenze des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs ==== Eine Grenze findet der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch allerdings in den Kriterien der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit. Der Arbeitnehmererfinder kann von seinem Arbeitgeber nicht unbeschränkt alle Angaben verlangen, die zur Bestimmung und Überprüfung der angemessenen Erfindervergütung nur irgendwie hilfreich und nützlich sind oder sein können, sondern nur solche Angaben, die zur Ermittlung der angemessenen Vergütung unter Berücksichtigung seiner berechtigten Interessen erforderlich sind. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber insbesondere Angaben verweigern, die für ihn mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden wären, der in keinem vernünftigen Verhältnis zu der dadurch erreichten genaueren Bemessung der dem Arbeitnehmer zustehenden angemessenen Vergütung mehr steht, oder die zu geben ihm wegen eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses nicht oder nicht ohne besondere Schutzvorkehrungen zuzumuten ist (BGH GRUR 2002, 801 (803) - Abgestuftes Getriebe; BGH GRUR 1998, 689 (692) - Copolyester II). Dabei besteht zwischen den Kriterien der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit eine Wechselwirkung: Je bedeutsamer die verlangten Angaben für den Vergütungsanspruch sind, desto intensivere Bemühungen um Aufklärung sind dem Arbeitgeber zumutbar; je stärker der Arbeitgeber durch ein Auskunftsverlangen belastet wird, desto sorgfältiger muss geprüft werden, inwieweit die Angaben zur Ermittlung einer angemessenen Vergütung unumgänglich sind.((OLG Düsseldorf Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) Ein Überschreiten der Zumutbarkeitsschwelle ist nicht deshalb zu konstatieren, weil der Arbeitgeber bisher nicht vorhandene Kosten- und Gewinnaufstellungen eigens zur Rechnungslegung anzufertigen hätte.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung)) Derartiges wäre nur bei Vorliegen besonderer Umstände unzumutbar.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. September 2007, 2 U 113/05 - Türinnenverstärkung; m.V.a. BGH GRUR 1998, 689 (693) - Copolyester II)) ==== Negativerklärung ==== Die Erklärung des Arbeitgebers, dass weder er noch ein mit ihm verbundenes Unternehmen die Erfindung nach dem Streitpatent benutzt, wobei diese Auskunft ausdrücklich zu Auskunftszwecken abgegeben wird, wird als Negativerklärung oder Null-Auskunft bezeichnet.((vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II)) Eine derartige Negativerklärung ist grundsätzlich geeignet, ein Auskunftsbegehren zu erfüllen. Eine Erfüllungswirkung tritt nur dann nicht ein, wenn die zum Zwecke der Auskunft gegebene Erklärung nicht ernst gemeint, unvollständig oder von vornherein unglaubhaft ist. Dann gilt die Erklärung als nicht abgegeben.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II)) Ob dies der Fall ist, richtete sich nicht nach der Einschätzung des Auskunftsberechtigten, sondern ist nach objektiven Umständen unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung zu beurteilen. Ein bloßer Verdacht, der Auskunftspflichtige unterdrücke bewusst oder unbewusst sein Erinnerungsvermögen, oder die Behauptung, die Auskunft sei falsch, genügen nicht, um eine Erklärung von vornherein als unglaubhaft einzustufen.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II; m.V.a. BGH GRUR 2003, 433 (434) – Cartier-Ring; BGH GRUR 2001, 841 (844) – Entfernung der Herstellungsnummer II; BGH GRUR 1994, 630 (634) – Cartier-Armreifen; BGH GRUR 1958, 149 (150) – Bleicherde; OLG Hamburg GRUR-RR 2001, 197 – Erfüllung der Auskunft)) ==== Eidesstattlichen Versicherung ==== Der Kläger hat den Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO geltend zu machen. Einen Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zeitgleich neben den Auskunftsanspruch zur Entscheidung zustellen ist ausgeschlossen.((vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II)) Eine Verurteilung gem. §§ 259, 260 BGB kann erst erfolgen, wenn die Auskunft wegen derer die eidesstattliche Versicherung abgegeben werden soll, bereits erteilt ist. Erst dann kann sich ein Grund zu der Annahme ergeben, dass bei der Auskunftserteilung nicht die erforderliche Sorgfalt angewandt wurde. Eine Verdächtigung des Auskunftspflichtigen im voraus ist unzulässig.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II; m.w.N.)) Soweit der Kläger vorbringt, es sei offensichtlich nur unvollständig Auskunft erteilt worden, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, sondern zunächst nur zu einem Anspruch auf Ergänzung der Auskunft, welcher gemäß § 888 ZPO zu vollstrecken wäre.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II; m.V.a. BGH NJW 1984, 2822 (2824) – Dampffrisierstab II; OLG Hamburg, NJW-RR 2002, 1292 – unvollständige Auskunftserteilung; Benkard/Rogge-Grabinski, PatG, 10. Aufl. 2006, § 139 Rn. 91; Münchener Kommentar/Krüger, BGB, 4. Aufl. 2003, § 259, Rn. 40)) Erst im Anschluss daran eröffnet sich die Sanktionsmöglichkeit der eidesstattlichen Versicherung.((OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. August 2007, 2 U 44/06 - Arbeitnehmererf./Ummantelung von Stahlröhren II)) ===== siehe auch ===== * [[Vergütungsanspruch]] * [[Arbeitnehmererfinderrecht]]