Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 12. Mai 2014 über die Einführung einer abschließenden Recherche im Verfahren nach Kapitel II PCT:
Mit dem Inkrafttreten der neuen Regel 66.1ter und der geänderten Regel 70.2 f) PCT am 1. Juli 2014 verbessert das Europäische Patentamt (EPA) als mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (IPEA) seine Praxis nach Kapitel II PCT. Gemäß diesen Bestimmungen führt jede IPEA eine sogenannte abschließende Recherche durch, um Stand der Technik zu ermitteln, der nach dem Tag, an dem der internationale Recherchenbericht erstellt wurde, veröffentlicht oder der Behörde zugänglich gemacht wurde. Die Einführung der abschließenden Recherche erhöht somit den Wert des Verfahrens für die internationale vorläufige Prüfung vor dem EPA als IPEA.
Das EPA als IPEA führt künftig zu Beginn von Verfahren nach Kapitel II PCT grundsätzlich eine abschließende Recherche durch. Ein spezifischer Antrag des Anmelders ist nicht erforderlich, die neue Dienstleistung ist Verfahrensbestandteil.
Die abschließende Recherche dient insbesondere dazu, Zwischenliteratur zu ermitteln, die seit der Durchführung der internationalen Recherche veröffentlicht wurde und bei einem etwaigen Eintritt der Anmeldung in die regionale Phase vor dem EPA nach Artikel 54 (3) EPÜ relevant werden könnte. Ferner deckt sie Dokumente des Stands der Technik ab, die in nationalen Verfahren zur Anmeldung angeführt wurden und dem EPA als IPEA zugänglich gemacht wurden.
Die abschließende Recherche geht nicht über den von der Internationalen Recherchenbehörde (ISA) recherchierten Gegenstand hinaus. Sie wird für alle internationalen Anmeldungen durchgeführt, die Gegenstand einer Prüfung nach Kapitel II PCT sind, es sei denn, das EPA als IPEA ist der Auffassung, dass keine sinnvolle Recherche möglich ist. Das EPA als IPEA wird insbesondere dann keine abschließende Recherche durchführen, wenn das EPA als ISA keinen schriftlichen Nachweis des relevanten Stands der Technik anführen würde (z. B. bei „notorischem Fachwissen“ im Bereich computerimplementierter Erfindungen), weil eine Recherche in diesem Fall nicht sinnvoll wäre. Ebenso wenig wird eine abschließende Recherche für Gegenstände vorgenommen, die von der internationalen vorläufigen Prüfung ausgeschlossen sind (Artikel 34 (4) PCT).
Die abschließende Recherche wird in der Regel für alle Ansprüche durchgeführt, die die Grundlage für das Verfahren nach Kapitel II PCT bilden. Kommt das EPA als IPEA zu dem Schluss, dass die internationale Anmeldung nicht den Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung entspricht, so fordert es den Anmelder zunächst auf, entweder die Ansprüche einzuschränken oder zusätzliche Gebühren zu entrichten (Artikel 34 (3) PCT). Die abschließende Recherche wird dann für alle Erfindungen durchgeführt, für die zusätzliche Gebühren entrichtet wurden.
Wenn die internationale Anmeldung geändert wurde und die Grundlage für die Änderungen nicht gemäß den Regeln 46.5 b) und 66.8 PCT in einem Begleitschreiben ausreichend dargelegt wurde oder die Änderungen über den Offenbarungsgehalt der ursprünglich eingereichten internationalen Anmeldung hinausgehen, beschränkt das EPA als IPEA die abschließende Recherche auf den Umfang der Ansprüche, auf denen der internationale vorläufige Prüfungsbericht (IPER) basiert.
Werden bei der abschließenden Recherche relevante Dokumente nach Regel 64.1 PCT gefunden, die Anlass zu Einwänden insbesondere hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geben, erlässt das EPA als IPEA einen zweiten schriftlichen Bescheid oder führt eine telefonische Rücksprache gemäß der in der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 31. August 2011 (ABl. EPA 2011, 532) dargelegten Praxis.
In unter Nr. 2.2 der Mitteilung genannten Fällen, in denen der Anmelder keine sachliche Erwiderung auf den vom EPA als ISA erstellten schriftlichen Bescheid oder auf den vom EPA als IPEA erstellten ersten schriftlichen Bescheid einreicht, wird ein zweiter schriftlicher Bescheid nur dann erstellt, wenn die abschließende Recherche neuen relevanten Stand der Technik ergibt; andernfalls ergeht direkt der IPER.
Bei der abschließenden Recherche ermittelte relevante Dokumente werden im IPER angegeben, sofern sie nicht aufgrund von Änderungen oder Argumenten irrelevant geworden sind, die in Erwiderung auf den schriftlichen Bescheid eingereicht wurden.
Werden bei der abschließenden Recherche nur Dokumente der Zwischenliteratur (P) oder potenziell kollidierende Anmeldungen (E) gefunden und bestehen keine weiteren Einwände, so ergeht nur dann ein zweiter schriftlicher Bescheid, wenn die Dokumente in der regionalen Phase vor dem EPA zu Einwänden nach Artikel 54 (3) EPÜ führen würden. Andernfalls wird ein IPER erstellt.